Lebenskünstler: Vom Dekorateur im Rotlichtviertel bis zum Barbesitzer in Lauenburg

Willi Wunder - im ersten Moment denkt man an einen Künstlernamen. Aber Willi, den es Mitte der sechziger Jahre nach Lauenburg verschlagen hat, heißt wirklich so. Wer dem kleinen Mann in dem beklecksten Maleranzug auf der Straße zum ersten Mal begegnet, ahnt nicht, was für ein sympathischer "schräger Vogel" er ist. Wenn er aus seinem Leben erzählt, ist von schönen Frauen die Rede, von wüsten Schlägereien, von Rivalitäten unter Clubbesitzern, von Brandstiftung, und sogar in eine Schießerei soll er damals verwickelt gewesen sein. Vieles klingt abenteuerlich, das meiste ist belegt.

Wenn man gegenüber älteren Lauenburgern die Namen "Myfair" und "Mendecino" erwähnt, scheiden sich die Geister: Für die einen waren diese Bars Ende der Sechziger die kulturellen Mittelpunkte von Lauenburg. Andere hatten die Vergnügungsstätten damals lieber gemieden, aus "gewissen Gründen". Eines hatten beide Nachtbars gemeinsam: einen Betreiber namens Willi Wunder - wenn auch nicht zur gleichen Zeit. "Das waren wilde Jahre", erinnert sich der heute 73-jährige Wilfried Wunder - so steht es übrigens in seinem Pass. "Wilfried vergessen wir gleich mal wieder und das 'Sie' auch", stellt er klar und erinnert sich: Ehe es den gelernten Dekorateur nach Lauenburg verschlagen habe, war der Hamburger Kietz sein Zuhause. "Ich habe in verschiedenen Etablissements nackte Frauen an die Wände gemalt, die können die Freier heute noch bewundern", erzählt er. Auch Einrichtungen von Clubs auf dem Kietz hat er hat er entworfen.

Welcher Umstand ihn nach Lauenburg geführt hat, deutet er nur an: "Nicht alles war legal in meinem Leben. Aber das ist verjährt und vergessen." Vom Vater habe er boxen gelernt. "Mien Jung, wer klein von Wuchs ist, muss sich Respekt verschaffen", habe der immer gesagt.

Das hat er sich Zeit seines Lebens zu Herzen genommen. Mit Elan stützte sich der junge Willi Wunder in seinen Lauenburger Neuanfang. Dort, wo heute "Rossmann" ist, betrieb er Ende der Sechziger die Tanzbar "Mendecino", im heutigen "Oxxo" eröffnete er die Nachtbar "Mayfair". Wann welche Bar den Besitzer wechselte, darüber gibt es in Lauenburg unterschiedliche Aussagen. Unser ehemaliger Mitarbeiter Horst Borutta gehörte damals zu den Stammgästen von Willi Wunder. "Unter den jeweiligen Betreibern der beiden Bars herrschte eine Rivalität bis aufs Blut. Mein Fotoladen befand sich mitten in der Kampflinie", sagt er. Aber er erinnert sich auch daran, dass von Willi Wunder vom Binnenschiffer bis zum Magistratsmitglied alle gleich behandelt wurden. "Willi hatte schon damals ein großes Herz", weiß auch Dieter Wollenberg, der zur damaligen Zeit Bürgermeister von Lauenburg war. "Ich habe ihm mehrmals aus der Patsche geholfen, weil er von falschen Leuten ausgenutzt wurde", erzählt Wollenberg, der nach einer Magistratssitzung, die bei Willi Wunder "nachbereitet" wurde, um ein Haar selbst in eine Schlägerei verwickelt wurde. "Bei mit haben die höchsten Persönlichkeiten Lauenburgs gesessen und über Politik, Gott und die Stadtentwicklung philosophiert. Die Wogen schlugen oft hoch, denn jeder weitere Malteser sorgte dafür", sagt der damalige Wirt. Im April 1976 stand das "Mendecino" dann in Flammen, es sei Bandstiftung gewesen, glaubt Willi Wunder. Verwunden hat er das noch heute nicht.

Doch er hat nicht nur gelernt sich durchzuboxen - Willi Wunder ist ein Stehaufmännchen. Vor einem Jahr ist er von einer drei Meter hohen Leiter gefallen, als er etwas an seinem Haus reparieren wollte: Sechs Rippen gebrochen, Spaltbruch im Kopf, Rissquetschwunde rechts - seinen Befund aus dem Krankenhaus hat er sich kopiert, lange dort geblieben ist er nicht. Inzwischen renoviert er schon wieder Häuser und Wohnungen. Ruhestand? Ein Willi Wunder doch nicht.

Statt vollbusiger Schönheiten malt er heute zarte Elfen. Willi Wunder ist eben ein Künstler - ein Lebenskünstler sowieso.