Laune der Natur: In Lauenburg blühen jetzt Gewächse, die es vor dem Hochwasser hier nicht gab

Die Elbeflut vom Sommer 2014 ist den Lauenburgern noch allzu gut in Erinnerung. Altstadtbewohner mussten ihre Häuser verlassen, noch immer sind einige Gebäude nicht saniert. Die Verzweiflung war groß. Doch die Flut hat auch Neues mitgebracht. Am Elbufer wachsen plötzlich Pflanzen, die dort vorher nicht gesehen wurden. "Ihre Samen sind vermutlich mit dem Hochwasser angeschwemmt worden", sagt Karl-Heinz Weber, Vorsitzender des Naturschutzbundes Büchen bei einem Spaziergang.

Start ist am Lösch- und Ladeplatz. Und gleich dort leuchten die gelben Blüten des Echten Alants (Inula helenium) auf der Uferbefestigung. "Das ist eigentlich eine Feuchtpflanze der Auen", wundert sich Weber. In Lauenburg hat sich der Alant einen extremen Standort ausgesucht, er wächst in schmalen Steinritzen. Der Korbblütler gilt örtlich als selten und ist eine gute Bienenweide.

Direkt daneben: die Großblütige Braunelle (Prunella grandiflora), deren kleine Verwandte in so manchem Rasen wächst. Sie zeigt dunkelviolette Blütenköpfe und ist im Norden selten. Das schützenswerte Mauer-Zimbelkraut (Cymbalaria muralis) siedelt schon seit vielen Jahren an der Elbuferpromenade und bringt Spaziergänger mit seinen filigranen hellvioletten Blütenteppichen immer wieder zum Staunen. Denn es wächst in den Fugen der Mauer, kommt dort fast ohne Nährstoffe und mit sehr wenig Wasser aus. Dafür bringt die Pflanze, die ursprünglich aus dem Mittelmeerraum kommt, beste Voraussetzungen mit. Eine ausgeklügelte Art der Vermehrung sichert den Bestand: Der letzte Samen bleibt mit der Frucht fest verbunden, die schließlich von der Pflanze in dunkle Spalten geschoben wird.

"Die Pflanzen an diesem Standort sind echte Überlebenskünstler", sagt Karl-Heinz Weber. Mittags brennt die Sonne aufs steinige Ufer, nachts wird es kalt. Auch Wasser hält sich kaum zwischen den Steinen. Manche Pflanzen können Wasser in ihren Wurzeln speichern, einige rollen ihre Blätter ein oder schützen sich mit Behaarung. Und einige bleiben wegen der kargen Bedingungen auch besonders klein. "In der Biologie sprechen wir von Modifikationen - Veränderungen aufgrund von äußeren Einflüssen", erklärt der Nabu-Experte. So kümmert an der Treppe zum Restaurant "Le Rufer" das Franzosenkraut in Mini-Format. Der Breit-Wegerich, sonst bis zu einem Viertelmeter hoch, wird unter den Füßen der vielen Spaziergänger nur wenige Zentimeter groß.

Die Borstenhirse dagegen fühlt sich in einer sonnigen Mauerecke sichtlich wohl: Das Wärme liebende Gras wiegt zartgrüne Kornähren ihm Wind - und ist hübsch anzusehen.

Auch Mäusegerste, Weg-Rauke, Acker-Spörgel, Mauer-Lattich, das Scharfe Berufkraut, Kamillearten und vieles mehr entdeckt Karl-Heinz Weber bei seinem Spaziergang. Allein 32 Ruderalpflanzen hat er aufgelistet - sie mögen stickstoffreiche Böden nahe menschlicher Siedlungen und an Wegrändern, auch Schuttflächen. Weber: "Ich bin überrascht über die Vielfalt am Lauenburger Elbufer." Er mahnt, bei wild wachsenden Pflanzen nicht gleich ans Aufräumen zu denken. "Man sollte der Natur ihren Lauf lassen, wo es möglich ist. Die Blumen ziehen Insekten an, die wiederum Vögel. Alle haben ihren Stellenwert."