Güterverkehr Binnenschifffahrt fehlt im Aktionsplan

Fragt man Jörg Borchart nach seinem Traumberuf, schüttelt der 52-jährige Lauenburger die Antwort aus dem Ärmel: "Ich bin Binnenschiffer mit Leib und Seele. Schließlich bin ich an Bord aufgewachsen." Doch die Zeiten haben sich geändert.

Wenn Borchart heute mit seiner "Borsigwalde" die bundesdeutschen Wasserstraßen befährt, hat das mit Romantik nur wenig zu tun. Im Schiffsführerhaus krächzt mehrmals täglich das Funkgerät. Von der Schiffsgenossenschaft, der Borchart angehört, bekommt er die Ladungen angeboten Mit spitzem Stift muss der Schiffseigner dann rechnen, ob sich die Sache für ihn lohnt.

Seit 1994 bringen immer mehr Frachten immer weniger Geld ein: Auf Drängen der EU hatte die damalige Bundesregierung die sogenannten Festfrachten aufgehoben. Damit wurden die Preise für Schiffsladungen völlig freigegeben - und sanken prompt. "Unternehmen sind heute der Meinung, dass der Transport ihrer Waren möglichst nichts kosten darf. Osteuropäische Binnenschiffer machen uns zudem das Leben mit Dumpingpreisen schwer", ärgert sich Borchart.

Den Zahlen nach zu urteilen, sollte die Branche zurzeit eigentlich boomen. Die Binnenschifffahrt wird in diesem Jahr erneut spürbar zulegen. Das geht aus der Mittelfristprognose hervor, die das Bundesamt für Güterverkehr im März veröffentlicht hat. Doch das ist offensichtlich ein zweischneidiges Schwert. Auf der diesjährigen Mitgliederersammlung des Bundesverbandes der Deutschen Bundesschifffahrt (BDB) nannte Präsident Georg Hötte das Kind beim Namen: Die Steigerungen in der Transportleistung würden durch enorme Kostensteigerungen bei den Schiffstreibstoffen und im Personalbereich sowie durch das niedrige Frachtratenniveau aufgefressen. "Die Ertragslage der Binnenschiffer ist das fünfte Jahr in Folge unbefriedigend", so der BDB-Präsident.

Jörg Borchart hat noch einen weiteren Grund für die schwierige Situation der Binnenschiffer ausgemacht: "Die Infrastruktur der Wasserstraßen stammt oft noch aus der Zeit von Kaiser Wilhelm. Allein die Schleusentechnik ist vielfach so veraltet, dass Ausfallzeiten vorprogrammiert sind und die Schiffe manchmal tagelang warten müssen." Zeit ist Geld, nirgends trifft das wohl so zu, wie im Transportgewerbe. Harsche Kritik des BDB deshalb an den Plänen von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Im Aktionsplan "Güterverkehr und Logistik" vom 25. Juni dieses Jahres hatte der Minister zwar Maßnahmen "zur gezielten Auflösung von Engpässen im Schienennetz" angekündigt, die Binnenschifffahrt allerdings nicht erwähnt.

Rund 1500 Euro kann der Unternehmer täglich in den Wind schreiben, wenn ein Schiff still liegt", hat der BDB ausgerechnet.

Für Schiffseigner Borchart gibt's noch einen weiteren Aspekt: "Jeder Kunde, dessen Waren nicht verlässlich transportiert werden, kann ein verlorener Kunde sein."