Schützenfest: Novum seit 348 Jahren: Niemand wollte sich die Königskette umhängen lassen

Das hat es in 348 Jahren nicht gegeben: Die Lauenburger Schützengilde konnte in diesem Jahr keinen König krönen. Niemand hatte einen auswertbaren Schuss auf die Scheibe abgegeben.

Am Vormittag war die Welt der Schützen noch in Ordnung. "Vom schönsten Wetter begünstigt", feierte die Gilde mit Gastvereinen ihr traditionsreiches Fest. Trotzdem gibt es immer wieder Gildemitglieder, die es mit der Einhaltung der strengen Sitten nicht ganz so genau nehmen. Und so musste Major Hans-Ullrich Kröppelin vor den in Reih' und Glied angetretenen Schützen so manche Rüge aussprechen. Umso schlimmer, dass sein eigen "Fleisch und Blut" Schande über die Gilde gebracht hatte. Vor 20 Jahren war der damals 11-jährige Mirco Kröppelin zwar noch ein Minischütze, der es aber faustdick hinter den Ohren hatte: Mit heraushängendem Hemd hatte Mirco eine offizielle Gildeveranstaltung besucht. Solch eine frevelhafte Tat verjährt nicht und so musste Junior Kröppelin gestern mit zwei weiteren Sündern für eine Stunde im Schlossturm "schmachten". Nicht der schlechteste Platz, denn während draußen die Mittagshitze brütete, war es hinter dem dicken Gemäuer angenehm kühl.

Streng nach Protokoll ging es danach wieder zu. Traditionsgemäß empfing Bürgermeister Andreas Thiede in seinem Schloss die Gildeoffiziere, während den "einfachen" Schützenbrüdern auf dem Schlossplatz angesichts der Temperaturen langsam Schweißperlen auf die Stirn traten. Doch Disziplin ist Disziplin, und so ging es nach dem historischen Festakt im Schloss wohlgeordnet in strenger Marschordnung einmal durch die Stadt bis zum Festzelt am Schützenhaus.

Wer nicht vorhatte, seine Treffsicherheit beim Königsschuss unter Beweis zu stellen, legte die Uniformjacke ab und genehmigte sich das eine oder andere "kühle Blonde".

Überall betretene Gesichter, als schließlich feststand, dass es in diesem Jahr keinen Lauenburger Schützenkönig geben wird. Major Hans-Ullrich Kröppelin konnte es zunächst gar nicht fassen. "Ich bin wahnsinnig enttäuscht. Ich habe mir bis zur letzen Minute den Mund fusslig geredet, aber niemand wollte ernsthaft einen Königsschuss abgeben", stellte er fest.

Doch die Lauenburger Schützengilde findet immer einen Grund zum Feiern: So gab's in diesem Jahr zwar keine Krönung, aber einen Patron, der Geburtstag hatte. Bürgermeister Andreas Thiede ließ sich selbst nicht lange feiern. Lieber zauberte er eine Überraschung aus dem Hut, - genauer gesagt unter dem Zylinder hervor - eine rote Rose für seine Frau Angela. "Sie hält immer zu mir, egal was ich auch anstelle", sagte er vor den versammelten Schützen. Was er damit meinte, blieb allerdings sein Geheimnis.