Umsiedlungsaktion an der Lütauer Grundschule - “Die Situation ist dramatisch“, sagen Biologen

Sie sind klein und sehr fleißig - aber vor allem sind sie viele. Kahlrückige Waldameisen haben das Gelände der Lütauer Grundschule erobert. Seit einigen Jahren erleben Kinder und Lehrer "Das große Krabbeln". Das ist allerdings nicht so lustig wie der gleichnamige Animationsfilm. Unterricht unter freiem Himmel ist kaum noch möglich: Sofort kriechen die Ameisen über Schuhe und in Hosenbeine, beißen und versprühen ihr Gift. Auch ins Schulgebäude sind sie schon vorgerückt. Mehrmals mussten Klassen verlegt werden, weil die Tiere in den Räumen herumwuselten. "Die Situation ist dramatisch", so der Befund der Biologen Helga und Eberhard Baur. Die Insektenexperten aus Hamburg sind mit der Umsiedlung der Krabbler beauftragt.

Eine Aktion, bei der auch sie an Grenzen stoßen: "So etwas haben wir noch nicht erlebt", sagt Helga Baur. Etwa 20 Nester von Formicula polyctena befinden sich auf dem Schulgelände. Möglicherweise sind es noch mehr, denn nicht alle sind sichtbar. Die Ameisenvölker, jedes mit mehreren Millionen Tieren bestückt, sind unter der Erde bestens vernetzt. Hinzu kommen mindestens vier weitere auf dem Dach. "Im Styropor finden sie ideale Bedingungen. Dort ist es im Winter schön warm", erklärt Eberhard Baur.

Die Kahlrückige Waldameise gilt laut Roter Liste als stark gefährdet. Vor etwa 30 Jahren war in Lütau ein einziges Volk angesiedelt worden. Lernen unter freiem Himmel, Unterricht im Grünen, das gehört schließlich zum Konzept der Schule. Und auf den Schulwald waren damals alle stolz - und sind es heute noch. Doch in diesem Fall ist die Natur offenbar aus dem Gleichgewicht geraten. "Das passiert, wenn wir Menschen eingreifen", so der Biologe. Zwar waren die Lebensbedingungen für die kleinen Krabbler ideal, doch das Areal viel zu klein. "Ringsum liegen Felder, die ständig gepflügt werden, dorthin konnten die Ameisen nicht ausweichen. Also haben sie auch vom Gebäude Besitz ergriffen", sagt Helga Baur. Mehrere Helfer unterstützten sie und ihren Mann beim ersten Teil der spektakulären Umsiedlungsaktion. Alle mussten Gummistiefel und weiße Schutzanzüge tragen. "Schicht für Schicht heben wir die Nester mit Schaufeln aus dem Boden. Sie kommen in nummerierte und zugeklebte Umzugskartons, die an anderer Stelle in derselben Reihenfolge wieder ausgeleert werden", erklärt Eberhard Baur.

Die Ameisen beginnen dann sofort, ihr Domizil neu zu ordnen. Bei der Kahlrückigen Waldameise gibt es mehrere Königinnen in einem Nest - so können sie am neuen Ort überleben.

"Bei der Suche nach einer neuen Heimat haben wir mit dem Grünhofer Förster Wolfgang Kruckow und der Naturschutzbehörde zusammengearbeitet", sagt Schulleiterin Angela Harting. Von ihrem ursprünglichen Plan, die Kinder aktiv an der Umsiedlungsaktion zu beteiligen, musste sie sich verabschieden. Denn das ist schwere körperliche Arbeit und wegen der Ameisensäure nicht ganz ungefährlich. Doch in allen Klassen ging es am ersten Umzugstag um die Ameisen. Die Kinder beobachteten Wege und Arbeit der Insekten, informierten sich in Büchern und im Internet.

Im Juni sollen weitere Nester umgesetzt werden. Doch nicht bei allen ist das möglich. "An die Nester unter den Bäumen und im Gebäude kommen wir nicht heran. Da muss ein Schädlingsbekämpfer eingesetzt werden, sonst breiten sich die Ameisen wieder aus", so Eberhard Baur. Anders gehe es nicht. "In diesem Fall heißt es wirklich: Ameisen oder Schule."