Chance genutzt: Nach der Flut wollten viele nur noch weg, doch jetzt gibt es einige Neugründungen

Die Flut im Juni 2013 mit dem zweithöchsten Pegelstand der Stadtgeschichte von 9,64 Metern war verheerend. Doch die Beseitigung der vom Hochwasser angerichteten Schäden in der Altstadt bietet auch die Chance für einen Neuanfang. Und die nutzen immer mehr Gebäudebesitzer und Geschäftsleute.

Viele Häuser sind noch immer nicht saniert, doch andere strahlen bereits in frischem Glanz. Und so gesellen sich zur Töpferei "Der Topf" von Karin Scherling, die seit ihrem Einzug vor 20 Jahren als "Urgestein" des Handels in der Elbstraße gilt, immer mehr Geschäfte, Werkstätten und Lokale. "Auf jeden Fall sollte noch mehr Kunsthandwerk in die Straße kommen, denn dann hätten die Touristen mehr zum Bummeln", sagt Karin Scherling. Bei ihr an der Elbstraße 89 kaufen überwiegend Touristen.

An der Elbstraße 20 haben Rita Hansen und ihr Lebensgefährte Fritz Hock die Chance genutzt, sich einen Traum zu erfüllen: ein eigenes Café, das "Café Schokoflut". "Wir waren in der glücklichen Situation, gemeinsam mit Hausbesitzer Jürgen Mahnecke die Beseitigung der Hochwasserschäden angehen und uns das Erdgeschoss gleich passend einrichten zu können. Dafür haben wir auch viel in Eigenleistung getan", erzählt Fritz Hock.

An einem der Tische, die vor der Fassade mit den krummen Eichenbalken stehen, haben Nicole Dodda und Stephan Schulz Platz genommen. "Es ist toll, dass es hier voran geht", sagt Nicole Dodda, die in der Nachbarschaft lebt und gerne bei Hansen und Hock einkehrt.

Ein paar Schritte weiter über das Kopfsteinpflaster der Elbstraße laden "Die Bonschemacherei" (Nummer 35) von Marion Jansen und das "Atelier Larock" von Gundula Lehmann (Nummer 30) zum Schauen und Kaufen ein. Zurzeit vorwiegend sonntags, weil dann die meisten Touristen in die Stadt kommen.

Marion Jansen arbeitet eigentlich als Sekretärin. Mit ihrer Bonschemacherei hat sich die Lauenburgerin ebenfalls einen Traum erfüllt. "Mir gehört dieses Haus, und es verschlingt viel Geld, da habe ich mir ein zweites Standbein gesucht", begründet sie den Schritt in die Selbstständigkeit. Und sagt: "Es ist toll, dass hier in der Straße endlich wieder Leben einzieht." Bei 160 Grad kocht sie die Zutaten ihrer Bonbons, zaubert daraus dann in reiner Handarbeit exklusive Sorten.

Exklusives gibt es auch schräg gegenüber bei "Larock". Heike Dietrich hat ihrer Kollegin und Freundin Gundula Lehmann einen Raum überlassen. "Nach der Flut ist das hier ja noch eine Baustelle, und weil meine frühere Mieterin ausgezogen ist, kam uns die Idee, hier die Taschen von Gundula auszustellen", erzählt Heike Dietrich. Ihr Großvater betrieb in dem Raum schon seine Goldschmiede.

Einen ungewöhnlichen Schritt ist Heike von Pirch gegangen. Sie verlegte ihr Studio "Belissima" für Kosmetik und Fußpflege vom Büchener Weg in der Oberstadt an die Elbstraße 45. "Hier unten herrscht eine ganz besondere Stimmung, das spüren auch die Kunden", schwärmt Heike von Pirch. Sie hatte anfangs auch Angst vor dem Unzug, als ihr erste Kunden mitteilten, sie würden ihr nicht in die Altstadt folgen.

"Heute weiß ich, dass es richtig war, mein Vorhaben umzusetzen. Hier zu arbeiten, ist ein bisschen wie Urlaub machen", sagt die Kosmetikerin. Und da sie in der glücklichen Lage ist, direkt vor dem Haus eigene Stellplätze anbieten zu können, finden ihre Kunden auch immer eine Möglichkeit, das Auto abzustellen.