Spuren: Restaurator bricht eine Lanze für die Unvollkommenheit

Dass sich Gerold Ahrends und Yvonne Erdmann in ihrer Werkstatt an der Elbstraße wohlfühlen, liegt auf der Hand: Zwischen den historischen Häusern der Altstadt finden die beiden Diplom-Restauratoren jede Menge Inspiration. Sie wissen aber auch, gerade bei der Sanierung der alten Bausubstanz werden oft viele Fehler gemacht. "Restaurieren heißt nicht neu machen", räumt Ahrends mit einem weit verbreiteten Vorurteil auf.

Dass ein Restaurator Engelsgeduld und ein ruhiges Händchen haben muss, leuchtet ein. Gerold Ahrends verfügt aber offensichtlich auch über den Ordnungssinn einer guten Chefsekretärin. Kerzengerade stehen die Leitz-Ordner im Regal der Werkstatt, die so gar nicht dem Klischee eines verklecksten "Künstler-Kabuffs" entspricht. "Jeder Arbeitsschritt einer Restauration muss sorgsam dokumentiert werden", erklärt der 38-Jährige die lange Ordnerreihe. Vor sieben Jahren haben er und seine Frau das kleine Haus in der Elbstraße auf einem Spaziergang entdeckt. Seitdem arbeitet das Paar hier an gemeinsamen Projekten. Ihr Steckenpferd ist die Konservierung und Restaurierung historischer Wandmalereien. Arbeitsbesuche führten sie sogar in buddhistische Tempelanlagen im Himalaja. Trotzdem sagt Ahrends: "Wenn ich irgendetwas nicht bin, dann ist es ein Künstler."

Das fällt schwer zu glauben. Die an der Wand lehnenden Bildnisse von Äbtissinnen eines hannoveranischen Klosters sehen aus, als hätte der Zahn der Zeit nie an ihnen genagt. Erst auf den zweiten Blick sind die Zeichen vergangener Jahrhunderte sichtbar: Farbveränderungen, kleine Unebenheiten -eben die individuellen Handschriften der jeweiligen Maler in ihrer Zeit. "Wir drücken den Werken niemals unseren Stempel auf, sondern wollen die Spuren erhalten, die die Zeit hinterlassen hat", sagt Ahrends. Bei einer fachgerechten Restauration falle der häufig gewünschte "Vorher-Nachher-Effekt" verhalten aus. Dies gelte für alte Tempelanlagen ebenso, wie für denkmalgeschützte Häuser

Gerade die Baumaterialien, die früher zum Einsatz kamen, entsprechen oft so gar nicht den Vorstellungen der neuen Besitzer, das uralte Haus nach energieeffzienten Gesichtspunkten zu sanieren. Dabei müssten sich moderne Ansprüche und der Erhalt historischer Bauweise gar nicht widersprechen. Auf seiner Webseite vertreibt Ahrends zum Beispiel Kälberhaare - bezogen vom Hof seiner Eltern in Ostfriesland. "Das nahm man früher, um den Wandputz zu stabilisieren", sagt der Restaurator. Er ist entschlossen, dieses alte Wissen zu bewahren, auch wenn er weiß, dass dafür ein langer Atem nötig ist.

* "Restaurieren heißt nicht neu machen", ist der Titel des Vortrags, den Gerold Ahrends am Dienstag, 11. Februar, 19.30 Uhr, im Hotel "Bellevue" hält. Der Eintritt ist frei.