Testfahrt: Zwischen Lauenburg und Geesthacht mehr als fünf Minuten Verspätung

Gisela Weinert ist sauer: "Auf den Busfahrplan ist kein Verlass", schimpft sie. Seit drei Wochen liegt ihr Lebensgefährte im Johanniter-Krankenhaus in Geesthacht und freut sich auf ihren täglichen Besuch. Weil die 76-Jährige kein Auto hat, studiert sie den Fahrplan: Demnach könnte sie vom ZOB in Lauenburg um 16.34 Uhr in die Linie 8890 einsteigen, wäre 25 Minuten später am ZOB in Geesthacht und müsste dann nur drei Minuten auf den Anschlussbus der Linie 339 warten, der sie zur Haltestelle Ziegenkrug bringt. Bequemer wäre es natürlich mit der Schnellbuslinie 31, aber den Zuschlag dafür, kann sich die Rentnerin nicht täglich leisten. Es wäre ja auch kein Problem, wenn der Bus ab Lauenburg pünktlich in Geesthacht ankommen und sie den Anschlussbus erreichen würde.

Busfahrer Steffen Freyher versteht den Ärger der alten Dame. "Die fahrplanmäßige Fahrzeit der Linie 8890 ist auf dieser Strecke viel zu knapp bemessen. Wenn ich mich an die vorgeschriebene Geschwindigkeit halte, ist es nahezu unmöglich, in 25 Minuten in Geesthacht zu ein", sagt der 41-Jährige, der seit 21 Jahren hinter einem Buslenkrad sitzt. Er lädt ein, ihn auf seiner Tour zu begleiten.

Wir fahren pünktlich 17.34 Uhr vom ZOB in Lauenburg los. Fast alle Sitzplätze sind besetzt, stehen muss niemand. Bis zum Europakreisel hält sich Steffen Freyer an die vorgeschriebenen 30 Stundenkilometer. Überhaupt komme für ihn nicht infrage, gegen die Geschwindigkeitsbegrenzung zu verstoßen. "Wenn ich geblitzt werde, muss ich das Bußgeld selbst bezahlen und wenn ich meinen Führerschein verliere, riskiere ich meinen Arbeitsplatz", sagt er und fährt weiter auf der Bundesstraße - 50 Stundenkilometer durch Schnakenbek, auf freier Strecke zeigt der Tacho 70 Stundenkilometer an. Offensichtlich wollen die meisten Fahrgäste bis nach Geesthacht fahren, denn nur wenige drücken den roten Knopf, weil sie aussteigen möchten. Nur an fünf Stationen steigen Fahrgäste zu. Steffen Freyer kann also an vielen Haltestellen einfach vorbeifahren und spart so Zeit. Trotzdem haben wir bis zum Schiffbauerweg bereits 29 Minuten Fahrzeit gebraucht, - bis zu unserem Ziel, dem ZOB Geesthacht, sind es noch drei Stationen.

Rolf Westphalen, Sprecher der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) ist überrascht über unsere Erfahrungen bei dieser Busfahrt. "Derartige Probleme sind uns bisher nicht bekannt", sagt er und rät Fahrgästen, in solchen Fällen die Beschwerdehotline unter (0 40) 72 59 41 45 zu nutzen. "So können wir prüfen, ob es sich um einen Einzelfall oder ein grundsätzliches Problem handelt." Außerdem empfiehlt der VHH-Sprecher - sollte abzusehen sein, dass es eng mit dem Anschluss wird - sich an den Busfahrer zu wenden. Dieser könne mit dem jeweiligen Kollegen über Funk in Kontakt treten und ihn bitten, auf die verspäteten Fahrgäste zu warten.

Dies hält auch Busfahrer Steffen Freyher so, wenn er darum gebeten wird. Allerdings löst das aus seiner Sicht nicht das grundsätzliche Problem. "Der Kollege fährt dann verspätet ab und kann den Fahrplan ebenfalls nicht einhalten. Das ist eine Kette ohne Ende", sagt er.

Der neue Fahrplan ab dem 15. Dezember löst das Problem von Gisela Weinert übrigens auch nicht. Die Linie 8890 wird dann von der Linie 8800 abgelöst. Zwar ist für die Strecke Lauenburg-Geesthacht eine Fahrzeit vorgesehen, die eine Minute länger als die bisherige ist - einen direkten Anschluss bis zum Krankenhaus gibt es aber nicht mehr.