Hochwasser: Betroffene beklagen fehlende Hinweise der Gutachter auf sinnvolle Schadensbeseitigung

Für die vom Hochwasser geschädigten Anwohner hängt viel davon ab: Ohne ein fachliches Gutachten gibt es keine Mittel aus dem Aufbaufonds des Bundes und der Länder. Den Richtlinien zufolge werden aus diesem Topf 80 Prozent der entstandenen Schäden ausgeglichen - für den denkmalpflegerischen Mehraufwand gibt es sogar 100 Prozent. Die Stadt hat mit der Bewertung der Flutschäden das Architekturbüro Justus Deecke aus Lübeck beauftragt. Doch bis gestern waren lediglich 44 der 120 betroffenen Gebäude in der Altstadt durch Deecke und einen weiteren Mitarbeiter begutachtet worden. "Wir werden die vereinbarten 12 Wochen nicht einhalten können", räumte der Architekt während der Bauausschusssitzung am Montagabend ein.

Aber nicht nur deshalb wächst der Unmut der betroffenen Anwohner: Bereits vor einem Monat richtete der Arbeitskreis Altstadt (Aal) einen offenen Brief an die Stadt und fragte unter anderem nach, welche genauen Aufgaben das beauftragte Architekturbüro hat. Klare Antwort: Neben der Bewertung der Flutschäden wurde mit dem Gutachter auch eine zeitversetzte Beratung der Eigentümer in Bezug auf die Schadensbeseitigung vereinbart. Diese Aussage bekräftigte der Leiter für Stadtentwicklung, Reinhard Nieberg, auch noch einmal im Interview mit unserer Zeitung.

Die Realität sieht aber offenbar anders aus. Susanna Brauer-Bethge brachte während der Sitzung auf den Punkt, was viele der anwesenden Altstadtbewohner bestätigten: "Der Gutachter war kurz im Haus und als ich ihn fragte, wie wir die Fußböden sinnvollerweise sanieren sollen, bekam ich zur Antwort, dies könne ich handhaben, wie ich wolle." Auch Anwohner Steffen Westphal beklagte, dass sich der Gutachter höchstens eine halbe Stunde im Haus aufgehalten hätte, ohne sich über die baulichen Besonderheiten des Hauses zu informieren. "Wie kann man auf diese Weise ein fachlich kompetentes Gutachten erstellen?", fragte er. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde klar, dass Anwohner, Stadt und Gutachter offenbar unterschiedliche Erwartungshaltungen hinsichtlich des vereinbarten Leistungsspektrums haben. "Wir bewerten in erster Linie den denkmalpflegerischen Mehraufwand", betonte Architekt Deecke. Amtsleiter Nieberg räumte ein, dass es durchaus sinnvoll sein könne, zusätzlich privat einen Gutachter zu beauftragen. Offen blieb an diesem Abend die Frage einer Anwohnerin, wie der denkmalpflegerische Mehraufwand finanziell beurteilt werden könne, ohne konkrete Sanierungsmaßnahmen festzulegen.

"Offensichtlich gibt es erhebliche Kommunikationsprobleme zwischen Gutachter und den Betroffenen", stellte Anwohner und Architekt Peter Szymanski fest. Er regte feste Sprechzeiten des beauftragten Büros an, in denen sich Anwohner hinsichtlich ihres Sanierungsbedarfes fachlichen Rat holen können. Ein konkreter Beschluss dazu wurde nicht gefasst.

Auch André Peylo (SPD) sah Handlungsbedarf und wollte die Diskussion über die weitere Gutachtertätigkeit des Büros Deecke im nichtöffentlichen Teil der Sitzung weiterführen. Nach Informationen unserer Zeitung wurden aber auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit keine Änderungen beschlossen, die die Kritikpunkte der vom Hochwasser betroffenen Altstadtbewohner ausräumen könnten.