Neues Projekt: Demenzkranke bilden im Haus Hamburger Straße 1 eine Wohngemeinschaft

Die Socke über dem Schuh anziehen, den Schrank als Toilette benutzen: Wenn ein Mensch an Demenz erkrankt, sind die Betroffenen und Angehörigen meist völlig überfordert. Zurzeit leben rund eine Million Demenzkranke in Deutschland. Aufgrund der immer höheren Lebenserwartung werden in Zukunft noch mehr Menschen von dieser Krankheit betroffen sein. Rund vier Fünftel der Demenzkranken werden von ihren Angehörigen zu Hause betreut. Wenn das nicht mehr geht und die Unterbringung in einem Heim unerlässlich scheint, kommt zur Sorge um den geliebten Menschen oft auch noch das schlechte Gewissen dazu.

"Es gibt andere Wege", sagt Dr. Matthias Heißler. Gemeinsam mit dem Verein "Arbeit nach Maß" hat sich der Chef der psychiatrischen Abteilung des Geesthachter Johanniter-Krankenhauses in Lauenburg nach einer geeigneten Immobilie für eine Demenz-WG umgeschaut. Mit Erfolg: In das ehemalige Mehrfamilienhaus an der Hamburger Straße 1 werden in den nächsten Wochen bis zu sechs Demenz-Kranke mit ihren Möbeln und den immer mehr verblassenden Erinnerungen einziehen. An der Haustür dieser Wohngemeinschaft steht dann nicht etwa "Arbeit nach Maß", sondern die sechs Namen der Bewohner. Dieses Detail charakterisiert die Idee des Projektes: Die Mitarbeiter des Pflegedienstes, die Ergotherapeuten, der Arzt oder Angehörige betreten kein Heim, sondern die Wohnung jedes einzelnen Bewohners. In Frankreich wird solche Art des Zusammenlebens als "Cantou" (Herd) bezeichnet. Dahinter verbirgt sich das Konzept, dass sich demenzkranke Menschen, Angehörige und Mitarbeiter um einen Herd versammeln, gemeinsam für das tägliche Essen sorgen und so den Alltag der Betroffenen strukturieren.

Dass zurzeit in Deutschland immer mehr solcher Haushaltsgemeinschaften entstehen, hängt auch mit der finanziellen Förderung zusammen: Seit diesem Jahr werden diese Demenz-Wohngruppen ab vier Personen bei Vorliegen der Pflegestufe 1 mit 3000 Euro monatlich unterstützt.

Im Kreis Herzogtum Lauenburg gibt es mittlerweile zehn dieser ambulanten Haushaltsgemeinschaften mit insgesamt 100 Bewohnern. Für Dr. Heißler eine Entwicklung in die richtige Richtung. Aus seiner beruflichen Praxis weiß er: "In einer Haushaltsgemeinschaft haben wir ein großes Repertoire an Techniken für die Rehabilitation von Menschen mit Demenz. Die Bewohner brauchen weniger Medikamente und ihre Lebenserwartung steigt."