Schwarzenbek. Dass er Post von Angeklagten erhält, ist für Suntke Aden nichts Ungewöhnliches. Doch so einen Brief hatte der Direktor des Schwarzenbeker Amtsgerichts noch nie zuvor erhalten.

Kurz vor Weihnachten hatte ihm der 22 Jahre alte Damian O. in wohlgesetzten Worten gebeten: "Hören Sie nicht auf meinen Anwalt. Verurteilen Sie mich zu viereinhalb Jahren Haft."

Zu diesem Zeitpunkt saß der junge Mann bereits in Schleswig in Untersuchungshaft. Am 17. Januar 2012 hatte er in Lauenburg einen Mann mit einem Staubsaugerrohr verprügelt, einen Monat später ein Handy mitgehen lassen. Dann, am 13. August 2012, überfiel er eine Spielhalle an der Hamburger Straße, bedrohte die Mitarbeiterin mit einer Machete und erbeutete 1600 Euro.

"Das war unüberlegt und dumm", gab O. vor dem Jugendschöffengericht zu. In der Untersuchungshaft war der 22-Jährige zum Schluss gekommen, dass er dringend etwas in seinem Leben ändern müsste: In viereinhalb Jahren, so O.'s Rechnung, könnte er im Gefängnis nicht nur seinen Schulabschluss nachholen, sondern auch eine Berufsausbildung machen und anschließend an einem anderen Ort ganz neu anfangen.

Andere Häftlinge haben es ihm vorgemacht: Im Jahr 2011 haben in den fünf Gefängnissen und zwei Jugendanstalten des Landes in Schleswig, Neumünster, Kiel, Itzehoe und Lübeck 44 Insassen ihren Hauptschulabschluss nachgeholt, 26 ihre Facharbeiter- oder Gesellenprüfung erfolgreich bestanden. Insgesamt gibt es 1528 Haftplätze im Land, 2011 lag die Durchschnittsbelegung bei 1332.

"Da oft die Haftzeiten für eine Vollausbildung nicht ausreichen, werden häufig Qualifizierungsbausteine oder Kurse angeboten, die zwei bis zwölf Monate dauern", sagt Oliver Breuer, Pressesprecher im Kieler Justizministerium. Die Vollausbildungen und Hauptschulkurse seien zudem modular aufgebaut, sodass während der Haft zumindest einzelne Module abgeschlossen und anschließend in Freiheit fortgesetzt werden können, so Breuer.

Eine Chance, die nun auch O. hat. "Er muss nun zeigen, ob er sie auch nutzen kann", sagt Jens Müller von der Jugendgerichtshilfe des Kreises, die den 22-Jährigen während seiner Haft begleiten wird. Größte Herausforderung: O. muss seine Drogenprobleme in den Griff bekommen. Seit er zwölf Jahre alt ist, konsumiert er Marihuana, Kokain und Alkohol. Um "clean" zu werden und seinen Schulabschluss zu schaffen, hat er nun zweieinhalb Jahre Zeit, so das Urteil von Richter Aden: "Viereinhalb Jahre Haft wären übers Ziel hinausgeschossen." Mehr über den Lebensweg des Täters und die Gefühle seiner Opfer lesen sie auf ...

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