Lauenburg. “Unsere Botschaft muss sein: Eine ganze Stadt weigert sich, die Selbstauflösung zu akzeptieren. Sie trotzt Finanzkrise, dem Kleinmut örtlicher Politiker und eventuellen Drohgebärden von übergeordneten Behörden. Sie fasst sich beim Schopfe und erfindet sich neu.“

Bürgermeister Harald Heuer und seine Amtsleiter Eveline Hebestreit, Thomas Burmester und Reinhard Nieberg sind sich einig: Lauenburg muss zum Initiator einer grundlegenden Kommunalreform werden, um sich aus dem Teufelskreis schrumpfender Finanzausstattung befreien zu können. "Wir sehen uns als Vorreiter und Sprecher vieler anderer Kommunen im Land, denen es ähnlich schlecht geht", sagte Kämmerer Burmester gestern bei der Vorstellung des Memorandums "Lauenburg ruft!" - einer Denkschrift, in der die Stadt alle Nachteile der jetzigen Regelungen aufgelistet hat. Zwei Beispiele:

* Seit es der Bund international agierenden Unternehmen ermöglicht hat, in anderen EU-Ländern erzielte Verluste mit den Gewinnen ihrer deutschen Niederlassungen zu verrechnen, sind die Lauenburger Gewerbesteuereinnahmen von durchschnittlich 2,3 Millionen auf 900 000 Euro gesunken.

* Die Schlüsselzuweisungen des Landes richten sich nach der Höhe der Einkommensteuer, die die Bürger einer Stadt bezahlen. "In Lauenburg haben 24 Prozent aller Familien ein Monatseinkommen von unter 1000 Euro. In anderen Kommunen sind es im Schnitt acht bis neun Prozent", hat Bauamtsleiter Nieberg herausgefunden.

Die Folge: Lauenburg hat ein aktuelles Defizit von 14,1 Millionen Euro. "Und jährlich kommen 1,3 Millionen dazu, nur weil wir gesetzliche Auflagen erfüllen müssen und bei der Berechnung der Zuschüsse schlechter dastehen als Kommunen mit deutlich besser betuchten Bürgern", sagt Heuer.

Den Grund für die Finanzmisere hat er in der Vergangenheit ausgemacht: "Lauenburg hat bei sich durch den Sozialen Wohnungsbau das einkommensschwache Klientel selbst in die Stadt geholt und damit dem Land eine große Last abgenommen. Doch das Land honoriert diesen Dienst, der ihm damals erwiesen wurde, mit der jetzigen Regelung des Finanzausgleiches nicht. Im Gegenteil: Für soziale Aufgaben wie Kinderbetreuung in Krippen oder die Möglichkeit, in Lauenburg das Abitur zu ermöglichen, müssten wir Kredite aufnehmen. Doch da macht uns die Kommunalaufsicht Schwierigkeiten und fordert im Gegenzug, dass wir unseren eh einkommensschwachen Bürgern die höchsten Steuersätze in der Region aufbürden - zum Beispiel bei der Hundesteuer."

Ähnlich gering sind die Erwartungen an das Konjunkturprogramm: Wie sollen wir den Eigenanteil aufbringen, wenn Ratzeburg sich bei der Kreditaufnahme quer stellt, fragt der Bürgermeister und prognostiziert: "Wenn sich nichts ändert, fährt der Zug gegen die Wand und Lauenburg ist handlungsunfähig."

Lauenburg fordert daher eine grundlegende Reform der Förderregelungen und hat sein Memorandum unter anderem an Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, die Landtagsabgeordneten, den Kreis und den Städteverband Schleswig-Holstein geschickt. Der hat bereits signalisiert, das Lauenburger Papier, das auch die Sorgen anderer Städte dokumentiert, als Diskussionsgrundlage in die Kieler Ministerien zu tragen.

Für Amtsleiterin Eveline Hebestreit ist die Sachlage klar: "Bund, Land und Kreis müssen eine Reform einleiten. Aber auch die Politiker vor Ort sind gefragt. Wir dürfen keine Chance verstreichen lassen, die die Infrastruktur der Stadt verbessern könnte. Die Rahmenbedingungen, mit denen wir Firmen und Neubürger locken können, müssen stimmen. Dazu gehört auch der Schrägaufzug als Touristenattraktion. Ändert sich nichts, müssen wir darüber nachdenken, ob wir uns die freiwilligen Zuwendungen an die Vereine, das Freibad oder die Bücherei noch leisten können. Wenn nicht, wäre die Stadt endgültig tot!"