“Plötzlich waren wir mittendrin“, erinnert sich Bürgervorsteher Andreas Lojek an den 9. November vor 19 Jahren. Für den Lauenburger Polizisten bedeutete die Grenzöffnung damals volle Einsatzbereitschaft. Die kleine Stadt war plötzlich voller Trabis, aber auch Hamburger Limousinen sorgten für ein Verkehrschaos auf den Straßen, das alle ganz gelassen nahmen - Lebensfreude pur eben.

Mario Reichelt war am 9. November 1989 Soldat der NVA in Meißen. Hätte man dem damals 19-Jährigen gesagt, dass er genau 19 Jahre später als Läufer mit "Klassenfeinden" an den Start geht, er hätte es nicht für möglich gehalten.

"Ich war total aufgewühlt", erzählt er, denn plötzlich standen dem jungen Mann aus Sachsen alle Wege offen. Trotzdem haben sich für den 38-Jährigen seitdem nicht alle Wünsche erfüllt. Nach der Wende hatte er eine Frau aus Bayern kennengelernt und geheiratet. Die Ehe hielt nicht lange, aber das hätte mit verschiedenen Lebensansichten aus Ost oder West nichts zu tun gehabt.

Gisela Pfand aus Lauenburg erinnert sich an die Grenzöffnung, als sei es gestern gewesen. "Wir saßen wie gebannt vor dem Fernseher und als dann klar war, dass wir in der Nacht sowieso nicht schlafen würden, haben wir spontan einen Glühweinstand eröffnet. Aus guter Tradition tut sie das auch heute und bei dem nasskalten Wetter genehmigt sich der eine oder andere Läufer vor dem Start ein heißes Getränk.

Günter Ehrenberg aus Boizenburg war damals noch in der Nacht in Lauenburg. Das waren nur wenige Kilometer, aber bis zum 9. November 1989 lag die Nachbarstadt für ihn am Ende der Welt. Diese 16 Kilometer lief der heute 57-Jährige gestern - gemeinsam mit etwa 80 Frauen und Männern aus Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig Holstein.

Dieser Grenzlauf, der durch Laufgruppen aus Boizenburg und Hohnstorf schon zum sechsten Mal organisiert wurde, hat eigentlich eine viel längere Tradition. Heinz Kiesel aus Marschacht erinnert sich: "Als klar war, dass die Grenze offen ist, hat sich unsere Laufgruppe sofort getroffen, um in den Osten zu laufen." Sie wären eher drüben gewesen, als die ersten Fahrzeuge. "In einer Kneipe sind wir hängen geblieben und haben mit Rotkäppchensekt angestoßen", erzählt er und meint, da sei sie jetzt wieder, die "Gänsehaut" von damals und die komme nicht von dem regennassen Laufshirt.