Facharbeitermangel: Unternehmen wollen stärker in Schulen für Berufsaubildung werden

Zu viele Jugendliche wollen studieren, zu wenige streben eine klassische Berufsausbildung an. Neben den ohnehin sinkenden Schülerzahlen ist das ein Kernproblem für die Wirtschaft im Norden. Dieses Fazit zog sich wie ein roter Faden durch alle Reden auf dem traditionellen Neujahrsempfang der Industrie- und Handelskammer zu Lübeck. Mehr als 1400 Gäste aus Politik und Wirtschaft waren am Mittwochabend zum Empfang mit Labskaus-Essen in die Lübecker Musik- und Kongresshalle gekommen. "Wir brauchen Fachkräfte in den Firmen. Zwar ist es uns gelungen, die Zahl der Ausbildungsverträge gegenüber 2013 im vergangenen Jahr in unserem Kammerbezirk um 3,3 Prozent zu steigern, aber die klassische Berufsausbildung ist für viele Schulabgänger nur der zweibeste Weg. Wir Unternehmer können nur vor einem Akademisierungswahn warnen", sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Lars Schöning.

Auch Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) betonte die zentrale Bedeutung der Bildung für die Zukunft des Landes. "Wir werden 1000 zusätzliche Lehrerstellen schaffen und setzen auf unsere Hochschulen. Es ist wichtig, dass die Firmen in die Schulen gehen und dort für die Chancen der dualen Berufsausbildung werben", betonte der Ministerpräsident. "Aber Ausbildung alleine wird nicht genügen. Wir brauchen auch qualifizierte ausländische Zuwanderer, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Dafür benötigen wir eine ausgeprägte Willkommenskultur."

Auf die Schulen setzt auch IHK-Präses Friederike Kühn. Allerdings nicht nur wegen des Fachkräftemangels, sondern auch aus Sorge um den Mittelstand. "Wir müssen dort die Begeisterung für das Unternehmertum fördern. Nur maximal zehn Prozent der Schüler sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Das ist zu wenig", sagte Kühn. In den kommenden zehn Jahren stehen 7000 Firmen in Schleswig-Holstein vor der Übernahme, 100 000 Arbeitsplätze sind damit verbunden. "Oft sind nicht einmal die Kinder der Firmeninhaber bereit, die Betriebe weiterzuführen. Eine Übernahme muss von jungen Menschen wieder als Chance und nicht als Belastung empfunden werden", betonte Kühn.

Seinen ersten IHK-Neujahrsempfang als neuer Chef der Wirtschaftsförderung Herzogtum Lauenburg (WFL) absolvierte Ulf Hahn. Die Einschätzungen der Referenten entsprechen auch seinen Erfahrungen. "Ausbildungsmessen bekommen einen immer größeren Stellenwert für die Firmen. Die Betriebe versuchen auf diesem Weg und mit Praktika, die Schüler auf sich aufmerksam zu machen. Die Zahl der Akademiker steigt und es wird immer schwieriger, Angestellte und Facharbeiter zu finden", so Hahn. Hinzu komme die Konkurrenz mit der Metropole Hamburg. "Für Jugendliche ist es attraktiver in die große Stadt zu gehen, als eine Lehre in der Provinz zu beginnen", so Hahn.