Kompromissvorschlag: Kassenärztliche Vereinigung Hamburg will “Teilarztsitze“ zulassen

Volle Wartezimmer, Patienten werden wegen des Andrangs abgewiesen: Nachdem sich in Geesthacht zwei Allgemeinmediziner aus Altersgründen in den Ruhestand verabschiedet haben, sind noch keine Nachfolger in Sicht. Die Wartezeiten haben sich in manchen Praxen fast verdoppelt. Entlastung ist vorerst nicht in Sicht: Nach Meinung der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein beträgt die ärztliche Abdeckung in der "Metropolregion Süd-Ost" 110 Prozent.

Dieses Bild ist jedoch mehr als schief. Zur Metropolregion Süd-Ost zählen auch besser versorgte Stormarner Städte wie etwa Glinde oder Reinbek im Hamburger Speckgürtel. Das Problem ist auch aus der Hansestadt bekannt: Nicht die wohnortnahe ärztliche Versorgung steht im Mittelpunkt von Gesundheitspolitik und der Interessenvertretung durch die jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen (KV). Eher schon schieben sich die Verantwortlichen gegenseitig die Schwarzen Peter zu - wenn es etwa nicht gelingt, zumindest eine flächendeckende Versorgung durch Allgemeinmediziner und Kinderärzte auch auf dem flachen Land zu garantieren. Von Fachärzten ganz zu schweigen.

Noch sei die ärztliche Versorgung in Schwarzenbek gut, allerdings sind auch hier zahlreiche Ärzte älter als 60 Jahre, sagt Ordnungsamtsleiter Hans-Jürgen Stribrny. "Sollten die auf einen Schlag in Ruhestand gehen, haben wir ein Problem." Entspannt hat sich zumindest die Situation für Eltern von Kindern: Zu Jahresbeginn haben die Mediziner Ekkehard Baumgraß aus Lauenburg und Christopher Schäfer aus Itzehoe eine ständig geöffnete Zweigpraxis eröffnet. Seit 2010 hatte Baumgraß nur stundenweise in Schwarzenbek praktiziert.

In Lauenburg dürfte sich die ärztliche Versorgung zum Jahresende verbessern. Mitten im Stadtzentrum errichtet die Raiffeisenbank (Raiba) zurzeit ein Ärztehaus mit mehreren Praxen und einer Apotheke. Nach Auskunft der Raiba gebe es bereits Vorverträge mit einem Neurologen, einer Gynäkologin und einem Allgemeinmediziner. Ein Orthopäde hatte sich um die letzte freie Praxisfläche beworben - er scheiterte mit seinem Niederlassungswunsch aber an der ärztlichen Zulassungsstelle. Weil der kreisweite Versorgungsgrad nur eine halbe orthopädische Praxis erlaubt, zog der Mediziner zurück: Lauenburg bleibt vorerst weiterhin ohne Orthopäden.

Die Vergabe von "Teilarztsitzen" hält die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KVH) auch für die Vier- und Marschlande für möglich, um dort die ärztliche Versorgung sicherzustellen. Aus der KVH-Statistik wird für den Bezirk Bergedorf ein drastischer Mangel an Kinder- und Hausärzten deutlich. Neuallermöhe erreichte nur einen Versorgungsgrad von 60 Prozent mit Allgemeinmedizinern, in Allermöhe, Billwerder, Reitbrook, Spadenland und Tatenberg gab es gar keinen ortsansässigen Mediziner. Die KV könne niemanden zwingen, irgendwo eine Praxis zu eröffnen, sagte der KVH-Vorsitzende Walter Plassmann jüngst im Bergedorfer Gesundheitsausschuss. Statt in ländlichen Regionen siedeln viele Mediziner lieber attraktiven Stadtteilen rund um die Alster mit vielen Privatpatienten.

Eine Einteilung Hamburgs in mehrere Versorgungsgebiete lehnt die KVH ab.