Glücksspiel: 184 Automaten sorgen auch in Geesthacht für ein Millionengeschäft - Suchtexperte warnt vor großen Gefahren

Es ist schummrig. Die Sonne muss in Geesthachts größter Spielhalle im Gewerbegebiet Düneberg draußen bleiben. Fenster gibt es keine, so will es der Gesetzgeber. Moderne Spielhallen sollen vor Blicken von außen geschützt sein. Es ist später Nachmittag, mitten in der Woche - etwas zu früh für Freizeitaktivitäten, will man meinen. Doch in dem großen Raum herrscht reges Treiben: Fast alle zwölf Maschinen - mehr sind in einer Halle nicht erlaubt - rattern vor sich hin, die gemütlichen Ledersessel davor sind besetzt. Es herrscht konzentriertes Spieltreiben.

Das ist keineswegs ungewöhnlich, die Automatenbranche boomt wie selten zuvor: Von 2005 bis 2012 stieg bundesweit die Zahl der aufgestellten Geldspielautomaten von 183 000 auf 265 000 - ein Plus von 45 Prozent. Noch deutlicher ist die Entwicklung der Erträge: 2,35 Milliarden Euro verzockten Spieler 2005 an den Automaten, 2012 waren es schon 4,4 Milliarden, eine Steigerung von 87 Prozent.

"Hinter dem gewerblichen Automatenspiel steckt eine milliardenschwere Branche", sagt der Geesthachter Dr. Jens Kalke. Er gehört zur wissenschaftlichen Leitung des Instituts für Interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD), Spezialist für Glücksspielsucht. "Es gab die vergangenen Jahre eine deutliche Verschiebung der Umsätze weg von Lotto und hin zum Automatenspiel." Für Kalke ein alarmierender Trend. "Das Spiel am Automaten ist die Glücksspielform, die das größte Risikopotenzial birgt."

Der Anteil süchtiger Spieler in Spielhallen ist hoch - eine Studie aus München zeigt einen Anteil von bis zu 42 Prozent pathologischer Spieler. Vermögensverlust oder sozialer Abstieg durch krankhaftes Glückspiel seien real - so lag der höchste Tagesverlust in Spielhallen im Durchschnitt bei 610 Euro. Kalke: "Kaum eine andere Glückspielart sorgt für so große Probleme."

Kein Wunder. In der Spielhalle ticken die Uhren anders. Das Zeitgefühl schwindet - kostenlose Getränke, ein Capuccino oder Gummibären als Nervennahrung direkt ans Gerät gebracht sorgen für Gemütlichkeit - während das Geld weiter durchläuft. Die Gäste in Geesthacht sitzen starr vor den Automaten, zur Pause zwingt sie erst die Automatik: Nach einer Stunde setzt die Maschine für fünf Minuten aus. Auch das will der Gesetzgeber. Rauchen ist hingegen in den Hallen weiterhin erlaubt.

In Geesthacht spielt das legale Glücksspiel eine wachsende Rolle, der Umsatz liegt deutlich im Millionen-Bereich: 14 Spielhallen locken mittlerweile die Zocker, insgesamt werden in Geesthacht 184 Geldspielautomaten betrieben. "Vergangenes Jahr hat die Stadt 435 000 Euro Vergnügensteuer kassiert", sagt Stadtsprecher Torben Heuer - ein Plus von 55 000 Euro zum Vorjahr, 2011 hatte das Steueraufkommen nur bei 200 000 Euro gelegen. Geesthacht hat den Steuersatz 2012 von acht auf zwölf Prozent angehoben.

Das Geld rattert schnell durch die Maschine. Einmal eingeworfen, muss man sich nur noch am bunten Schirm für ein Spiel entscheiden. Dann drehen sich die Walzen, dank Autostartfunktion muss der Spieler nichts mehr machen. Den Überblick verlieren Anfänger schnell, besonders weil das Geld in Punkte umgewandelt wird - doch deren Zahl wird ganz schnell geringer. Fast. Denn plötzlich stoppen vier Melonen auf dem Schirm. Gewonnen! Immerhin 60 Cent. Doch wie lasse ich mir diese auszahlen? Die anderen Gäste um mich herum wirken deutlich abgeklärter, spielen teilweise an mehreren Maschinen gleichzeitig. Doch lautes Klimpern hört man selten. Oft werden Gewinne gleich neu eingesetzt.

Ein Grund für das große Risiko sehen Suchtforscher wie Kalke in den rechtlichen Rahmenbedingungen. Zwar schreibt die Verordnung über Spielgeräte vor, dass die Mindestdauer fünf Sekunden betragen muss und der Einsatz 20 Cent nicht überschreiten darf. "Aber der Automatenbranche ist es gelungen, dass nicht mehr das Drehen der bunten Walzen am Automaten das Spiel ist, sondern schlicht das Umwandeln des eingeworfenen Geldes in Punkte als Spiel definiert wird", sagt Kalke. Grenzwerte würden so geschickt umgangen. Im Punktemodus wird nun im Sekundentakt gespielt, Einsätze von zwei Euro sind problemlos möglich - mit Risikooptionen sogar 48 Euro pro Spiel.

Um das Suchtpotenzial zu begrenzen, fordern Experten ein Punkte-Verbot - und eine klare Anzeige von Euro und Cent am Automaten. "Wünschenswert wäre es auch, wenn nach einem Verlust in bestimmter Höhe Warnmeldungen eingeblendet werden", sagt Kalke: "Aber die Glücksspielindustrie wehrt sich seit Jahren erfolgreich gegen jeden Eingriff."