Prozessauftakt Angeklagter (56) gesteht Marihuana-Handel: “Ich wollte doch nur helfen“

Taxifahrer Ulrich F. war in der Geesthachter Drogenszene eine bekannte Größe. "Uli hat immer etwas", hieß es vor allem bei den ganz jungen Kunden. Der 56-Jährige verkaufte Marihuana in Ein-Gramm-Portionen an alle, die ihn danach fragten. Das Alter seiner Kunden spielte keine Rolle. Die jüngsten waren elfjährige Kinder, die ältesten gerade einmal 17 Jahre alt. Irgendwann geriet der Taxifahrer ins Visier der Polizei. Einige Wochen lang wurde sein Telefon abgehört, dann reichten die Beweise für eine Festnahme. Seit Dezember 2013 sitzt Ulrich F. in Untersuchungshaft, gestern begann vor dem Landgericht Lübeck der Prozess. Der Vorwurf: Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in mehreren Fällen.

Sehr bald tauchte in dem Verfahren die Frage nach dem Motiv für den Drogenhandel auf. Finanzierung von Eigenkonsum? Fast empört wies der Angeklagte diese Vermutung von sich: "Ich kiffe nicht, habe das noch nie getan!" Reine Profitgier? "Sehr reich konnte ich mit diesem Kleinhandel nicht werden", so der Angeklagte. Schließlich lieferte er eine Erklärung, die allen Anwesenden im Saal für einen Moment die Sprache verschlug: "Ich wollte den jungen Leuten doch nur helfen."

Die meisten Dealer in der Szene drehten gerade jungen Konsumenten nur minderwertiges Zeug an, begründete der Angeklagte. Oft sei die Ware mit Haarspray oder Klebstoff versetzt. "Bei mir gab es nur erstklassiges Gras, das konnte ich mit ruhigem Gewissen anbieten."

Sehr klein war sein Handel nun auch wieder nicht. In einem Zeitraum von rund einem Jahr soll F. mehr als 60 Mal Marihuana an seine minderjährigen Kunden verkauft haben. Er bezog das "Gras" von einem anderen Geesthachter, gegen den wird in einem gesonderten Verfahren ermittelt.

Ein Dutzend Zeugen marschierte am ersten Prozesstag auf: Kindergesichter, die Jungen noch hörbar im Stimmbruch. Sieht so die harte Geesthachter Drogenszene aus? Wohl kaum. Die meisten Kinder und Jugendlichen ließen sich wohl aus Neugier zum Drogenkauf verleiten, keiner scheint dauerhaft am "Gras" hängen geblieben zu sein. Die Eltern waren natürlich schockiert, einige Mütter und Väter hatten ihre Sprösslinge zur Zeugenaussage nach Lübeck begleitet. "Ich war völlig entsetzt, als die Geschichte aufflog und mein Sohn zur Vernehmung auf die Polizeiwache bestellt wurde", sagte die Mutter des 15-jährigen Philipp in einer Verhandlungspause. "Ich kürzte ihm sofort das Taschengeld und werde künftig noch genauer auf seinen Umgang achten."

Auch nach den Aussagen der Kinder und Jugendlichen war sich der Angeklagte keiner Schuld bewusst, er sah sich selbst eher in der Opferrolle. "Die anderen Geesthachter Dealer wussten, dass ich gute Ware zu einem fairen Preis verkaufte", sagte Ulrich F und ergänzte: "Ich habe sogar schon Drohanrufe erhalten, sie wollten mich fertig machen."