Geesthachter Oberarzt appelliert an Politik und Kollegen: “Ängste bei den Menschen abbauen“

Die Bereitschaft zur Organspende der Menschen in Norddeutschland geht immer weiter zurück. Nach jüngsten Zahlen gab es in Hamburg 2013 nur noch 39 Organspenden gegenüber 49 im Jahr 2012, in Schleswig-Holstein stellten nur noch 22 Menschen ihre Organe zur Verfügung - 2012 waren es noch 31 gewesen. Kein Wunder, dass Fachleute jetzt Alarm schlagen.

So etwa Dr. Florentin Stachow, Oberarzt am Johanniter-Krankenhaus Geesthacht: "Ich plädiere bereits seit einiger Zeit für die Negativlösung - dann hätten wir auch mehr Organspender." Negativlösung bedeutet: Ein potenzieller Spender muss nicht mehr im Besitz eines entsprechenden Ausweises sein. Wer sich nicht schriftlich gegen eine Spende ausgesprochen hat, steht automatisch als Organspender zur Verfügung. Etwa in Österreich, Schweden, und Spanien gilt diese Regelung.

Die Bereitschaft zur Organspende war 2011 nach Bekanntwerden der Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Leber-Transplantationen deutschlandweit massiv eingebrochen. "Deshalb sind die Politik, aber auch die Ärzte an den Kliniken aufgerufen, Ängste bei den Menschen abzubauen und besser aufzuklären. Das Verhalten weniger darf nicht den gesamten Bereich der Organspende in Misskredit bringen", sagt Stachow, der auch Transplantationsbeauftragter am Johanniter-Klinikum ist.

Das meint auch Ilse Timm aus Geesthacht. Die Vorsitzende des Seniorenbeirates im Kreis Herzogtum Lauenburg ist sauer: "Die Skandale haben eine bedenkliche Entwicklung befördert. Mit allen gesellschaftlichen Möglichkeiten muss der Trend umgekehrt werden", sagt die 76-Jährige. Sie selbst ist eine entschlossene Verfechterin des Organspendeausweises und hatte Ende 2011 eine Info-Veranstaltung zum Thema Organspende am Johanniter-Krankenhaus organisiert. Nachdem die Spendenbereitschaft einen neuen Tiefstand erreicht hat, beschäftigt sich Timm mit der Idee, in diesem Jahr wieder eine Veranstaltung auf die Beine zu stellen.

Diese könnte auf fruchtbaren Boden fallen. Denn nur 22 Prozent der Bundesbürger haben einen Organspendeausweis. Doch warten derzeit in Deutschland rund 11 000 Menschen auf ein Spenderorgan. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation gab es von Januar bis Oktober 2013 nur 754 Organspender - der niedrigste Wert seit Jahren. Die Zahl der gespendeten Organe sank auf 2647.

Vor dem Hintergrund des Skandals hatte die damalige Bundesregierung 2013 eine massive Werbekampagne für den Organspendeausweis aus der Taufe gehoben und die Krankenkassen mit ins Boot geholt. Jeder Versicherte wurde angeschrieben, um sich über den "Pass" informieren zu können. Allein die größte deutsche Krankenversicherung, die TKK, schickte rund neun Millionen Schreiben auf den Weg. Bei der AOK waren es 2,9 Millionen - natürlich gezahlt aus den Beiträgen der Mitglieder. "Wobei wir nach dieser einmaligen Aktion nicht wissen, wer sich von unseren Mitgliedern für den Organspendeausweis entschieden hat", sagt Antje Meyer, Pressesprecherin der AOK Hamburg. Diese Rückmeldung sei nicht vorgesehen.

Antworten zu Fragen rund um die Organspende gibt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auf der Internetseite www.organspende-info.de. Dort kann man sich auch einen Ausweis ausdrucken oder online bestellen.