Feuerwehr: Hilfsfrist für Gebiete am Stadtrand wird immer wieder unterschritten - Kreis und Stadt sehen kein Problem

Die Männer und Frauen der Geesthachter Feuerwehr stehen vor der heißesten Nacht des Jahres. Silvester wird sie voraussichtlich mit zahlreichen Einsätzen fordern. Wie sind sie gerüstet? Der 2011 aufgestellte Feuerwehrbedarfsplan (FWBP) hatte Defizite bei der Ausrüstung mit Fahrzeugen, der Einhaltung der Hilfsfrist in den Randbereichen und der Personalstärke aufgezeigt.

Während im Januar ein neues, rund 350 000 Euro teures Löschfahrzeug (HLF 20) in Dienst gehen soll, gibt es bei den beiden anderen kritischen Punkten weiterhin Defizite. Brisant ist vor allem, dass die Hilfsfrist von zehn Minuten teilweise überschritten oder oft nur haarscharf eingehalten wird. So brauchte die Feuerwehr zuletzt zwölf Minuten bis zur Düneberger Straße, elf zur Mercatorstraße, zehn bis zum Langen Kamp und neun zum Hörner Weg.

Was, wenn ein Mensch stirbt, weil er wegen zu langer Anfahrtswege der Feuerwehr nicht gerettet werden kann? Der Bürgermeister wäre in so einer Situation als Dienstherr der Feuerwehr in der Verantwortung. Ebenso der Kreis, der im Rahmen des Anerkennungsverfahrens nach Paragraf 6 des Brandschutzgesetzes die Leistungsfähigkeit einer Feuerwehr prüft. "Die Anerkennung ist zu widerrufen, wenn eine der geforderten Voraussetzungen nicht mehr vorliegt", erklärt Thomas Giebeler, Sprecher des Innenministeriums in Kiel.

In List auf Sylt hatte die mangelnde Personalstärke zur Gründung einer Pflichtfeuerwehr geführt. In Reinbek, wo die Politik die Feuerwache an den Stadtrand verlegen will, wird vermutlich der Kreis die Zustimmung verweigern - sollte zur Einhaltung der Hilfsfrist nicht ein weiterer Standort eingerichtet werden. In Itzehoe, wo wie in Reinbek externe Gutachter den FWBP erstellten, wurden inzwischen drei dezentrale Standorte für die Feuerwehr geschaffen, in Ratzeburg sind es zwei.

In Geesthacht haben Feuerwehrchef Sven Albrecht und Thomas Marbes, der feuerwehrtechnische Sachbearbeiter der Stadt, den FWBP selbst erstellt. Den Politikern wurde der Plan zwar präsentiert, doch inhaltliche Aspekte haben sie nicht mit entwickelt. So ist vielen nicht klar, dass sie Bewohnern und Unternehmern am Stadtrand nur zweitklassigen Schutz bieten. Immer wieder zeigen Einsätze im Neubaugebiet Finkenweg-Ost oder im Gewerbegebiet an der Mercatorstraße, dass die Feuerwehr weder die geforderten zehn Minuten vom Notruf bis zum Tätigwerden am Einsatzort einhalten kann, noch dass in dieser Zeit die geforderte Löschgruppe vollständig am Einsatzort ist. Selbst an deutlich dichter zur Feuerwache gelegenen Einsatzorten werden die Vorgaben nicht immer erreicht.

Verbessert die Stadt die Situation in Geesthacht und Grünhof-Tesperhude nicht, wo der Wehr etwa zehn Helfer fehlen, könnte der Kreis eingreifen. Laut Giebler könnte er "Maßnahmen der Gemeinde beanstanden, Weisungen erteilen oder Maßnahmen anstelle und auf Kosten der Gemeinde durchführen". Doch der Kreis bewertet wie die Stadt die Defizite nicht als dramatisch. "Wir sehen das nicht kritisch", sagt Sprecherin Anne Schetelich, "das Personalproblem betrifft nicht nur Geesthacht, und die Hilfsfrist ist so gut es geht berücksichtigt."

Tatsächlich liegt es im Ermessen des Feuerwehrträgers, der Stadt, wie hoch der Erreichungsgrad der Vorgaben sein soll, wie oft also die Feuerwehr beispielsweise "zu spät" kommen darf (siehe Infotext).

Der CDU-Ortsvorsitzende Sven Minge hat sich mittlerweile deutlich für eine zweite Feuerwache in Geesthacht ausgesprochen. "Es geht doch darum, nicht die Gesetze haarscharf auszureizen, sondern unseren Bürgern und Unternehmen einen vernünftigen Schutz zu bieten", so Minge. Die SPD-Fraktionschefin Kathrin Wagner-Bockey hat unter anderem wegen der Probleme der schnellen Erreichbarkeit die Entwicklung des Neubaugebietes Finkenweg-Nord abgelehnt. Doch konkrete Handlungen haben die bekannten Defizite bisher weder in Verwaltung noch in Politik ausgelöst.