Johanniter-Krankenhaus: Warum entließ sie den Täter? - Gutachter: Fehlverhalten der Ärztin

Wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen muss sich seit gestern Luise L. aus Bergedorf vor dem Lübecker Landgericht verantworten. Die 54 Jahre alte Ärztin des Geesthachter Johanniter-Krankenhauses hatte einen Patienten der Psychiatrie gehen lassen, ohne ihn noch einmal zu begutachten. Der Mann machte sich auf den Weg zu seiner Mutter in der Oberstadt und ermordete sie auf bestialische Weise. Diese Tat hatte er zuvor angekündigt. Er handelte im Zustand der Schuldunfähigkeit, wie ein Gericht bereits entschieden hat. Seit der Tat am 2. Januar sitzt er in einer geschlossenen Psychiatrie.

Luise L. erschien gestern zum Prozessauftakt mit drei Verteidigern an ihrer Seite. Zur Sache äußern wollte sie sich nicht. So war es an zahlreichen Zeugen, darunter vier Krankenschwestern der Psychiatrie, zur Klärung des Sachverhaltes beizutragen.

Das Gericht hat vorerst drei Verhandlungstage angesetzt und neben elf Zeugen auch zwei Sachverständige geladen. Professor Dr. Hans-Ludwig Kröber, der Direktor des Instituts für forensische Psychiatrie der Berliner Charité, ist einer von ihnen. Er bescheinigt in einem Gutachten im Auftrag der Lübecker Staatsanwaltschaft, dass die Ärztin durch ihr fahrlässiges Verhalten im Umgang mit dem ihr anvertrauten Patienten gegen alle Regeln der ärztlichen Kunst verstoßen habe.

Schon kurz nach der grausamen Tat hatte die Polizei Ermittlungen gegen Luise L. aufgenommen. Der Verdacht: Hätte sie sich um den 31 Jahre alten Patienten intensiver gekümmert, hätte sie erkennen müssen, dass er, wie er selbst schilderte, "böse Stimmen" hört, die ihm sagten, er solle seine Mutter und sich selbst töten. Doch nachdem Luise L. Babak M. nur in der Nacht gegen 2 Uhr in einem kurzen Aufnahmegespräch gesprochen hatte, ließ sie ihn morgens gegen 7.30 Uhr gehen, ohne ihn noch einmal zu sprechen. Drei Stunden später starb die Mutter des Mannes durch extreme Gewalt mit einer Schere. Mehr als 60 Stiche in Oberkörper und Kopf zählten die Gerichtsmediziner später.

Die Vorsitzende Richterin der VII. Großen Strafkammer, Helga von Lukowicz, hatte zum Prozessauftakt mit dem geringen Interesse zahlreicher Zeugen an Aufklärung zu kämpfen. "Es scheint keine Bereitschaft von Zeugen aus Geesthacht zu geben, hier zu erscheinen", sagte sie verärgert. Zwei Männer und eine Frau, die alle ordnungsgemäß zur Anhörung geladen waren, fehlten. Das Gericht setzte gegen die Betroffenen Ordnungsgelder oder ersatzweise Haft fest.