Baukunst: Helmuth Schlingemann sammelte über 1000 Lichtpausen, Zeichnungen und Modelle von Architekt Cäsar Pinnau

"Diese Bar ist auf der Mega-Yacht ,Christina O' von Aristoteles Onassis zu finden - einer umgebauten Fregatte aus dem Zweiten Weltkrieg", erzählt Schlingemann. "Hier war die ganze Welt zu Gast: Churchill, John F. Kennedy, die Callas." Doch nicht die großen Namen lassen den Börnsener Architekten bis heute staunen, sondern der Innenausbau. "Die Griffe an der Bar sind aus Walfischzähnen, die Barhocker waren mit der Vorhaut von Walen bezogen." Jedes Detail sei extra hergestellt worden.

Schlingemann weiß das alles so genau, weil er ab 1965 zwölf Jahre lang im Büro des Architekten Cäsar Pinnau gearbeitet hat. Und der hat die "Christina O" samt Bar für Onassis entworfen, genauso wie das pompöse Haus des Reeders und Milliardärs auf der griechischen Insel Skorpios oder den Olympic Tower in New York an der Fifth Avenue. An der Planung des letzteren war Helmuth Schlingemann sogar selbst beteiligt.

Weil der Architekt sich schon damals für das Bewahren von Zeitzeugnissen einsetzte, legte er zusammen mit Pinnau ein Archiv an und sammelte über 1000 Zeichnungen, Lichtpausen und Modelle aus dieser Zeit.

Es gibt Fotografien und Zeichnungen der Mega-Yacht "Christina O". Auch die Originalkalkulation für den Umbau besitzt Schlingemann noch. Die Gesamtkosten beliefen sich schon 1953 auf 214 194,70 DM. "Das Luxusschiff kann man heute noch mieten für 350 000 Dollar am Tag mit 40 Mann Besatzung", erzählt Schlingemann. Ein Modell der Yacht "Atlantis" füllt fast seinen gesamten Schreibtisch. "Wir haben sie für den Schwager von Onassis, Stavros Niarchos, entworfen." All diese Zeitzeugnisse gibt er jetzt an das Landesarchiv für Architektur in Schleswig und an das Architekturarchiv in Hamburg ab.

Nach der Zeit bei Pinnau machte sich Helmuth Schlingemann mit einem Kollegen selbstständig und zog nach Bergedorf. Gern erinnert er sich aber an die Zeit bei Pinnau zurück, in der er auch in Hamburg an zentralen Gebäuden, wie etwa dem Deutschen Ring an der Willi-Brandt-Straße (ehemals Ost-West-Straße) mitwirkte. "Die Arbeit war ganz anders als heute. Wir arbeiteten nicht in einem Mammutbüro. Wir waren acht Architekten." Das Büro zog mehrfach um, war zuerst am Ballindamm, dann am Neuen Wall und schließlich an der Palmaille in Altona.

Pinnau habe alle wichtigen Projekte selbst entworfen, das Projekt dann aber in die Verantwortung seiner Mitarbeiter gegeben. "Ein 6B-Bleistift und ein Zollstock waren seine wichtigsten Arbeitsutensilien. Computer gab es noch nicht. Wir alle trugen damals übrigens weiße Kittel. Das war so üblich. Es war eine völlig andere Welt", erinnert sich der heutige Rentner. Eine Verbindung in unsere Region gibt es übrigens nicht nur über Helmuth Schlingemanns Sammlung. "Wir ließen damals alle Modelle für Gebäude und Schiffe von Lothar Schimpf in Börnsen entwerfen", so Schlingemann. Später zog er selbst in das Dorf vor den Toren Hamburgs.

Doch trotz der vielen bekannten Gebäude, die er entwarf, ist der Architekt Cäsar Pinnau keineswegs unumstritten. So arbeitete er ab 1937 für Albert Speer und gestaltete unter anderem Hitlers Neue Reichskanzlei mit. Außerdem entwarf er die Nord-Süd-Achse für Adolf Hitlers größenwahnsinnige Vision von Berlin als "Welthauptstadt Germania". "Er hat über diese Zeit eigentlich gar nicht gesprochen", erinnert sich Schlingemann. Allerdings habe Pinnau in einem Interview einmal gesagt, er hätte auch für den Teufel gebaut. "Zeit Online" vergleicht Pinnau mit seinem Altersgenossen Philip Johnson. Beide gehörten zu den Architekten, die, nur um bauen zu können, niemals nach der (politischen) Moral ihrer Auftraggeber fragten.

Schlingemann sieht Pinnaus Vergangenheit kritisch, ihn selbst aber weniger als politische Figur. Er empfindet Bewunderung für eine Architektengeneration, die über das Handwerk zur Architektur fand, nicht nur funktional, "sondern auch ästhetisch, repräsentativ, zugehörig zum Lebensgefühl der Reichen" dachte.