Geesthacht. Mit dem neuen Atomgesetz ist es am 8. Juli besiegelt: Das Aus für das Atomkraftwerk Krümmel (KKK) am Elbufer bei Geesthacht. Bereits seit 2007 ist der Reaktor nach einem Trafo-Brand und einigen technischen Erneuerungen fast ununterbrochen vom Netz.

Ein Wiederanfahren der pannenanfälligen Anlage lehnt die schwarz-gelbe Bundesregierung ab, obwohl das KKK nach der Laufzeitverlängerung der Bundesregierung von 2010 noch bis ins Jahr 2033 Strom liefern sollte. Im Interview mit unserem Mitarbeiter Timo Jann äußert sich Rainer Kruppa, der Betriebsratschef von Vattenfall Europe Nuclear Energy, zur Stimmung und zu den Erwartungen der Mitarbeiter.

Wie haben die Mitarbeiter in Krümmel das von der Bundesregierung geplante Aus für ihr Kraftwerk aufgenommen?

Rainer Kruppa: Die Leute sind absolut enttäuscht, was die Politik hier entschieden hat. Die Stimmung ist miserabel, und die Verärgerung ist groß. Aber die Politik taucht zurzeit einfach ab und lässt uns mit den Folgen ihrer Entscheidung einfach alleine. Das hatten wir uns anders vorgestellt."

Wie viele Mitarbeiter sind denn in Krümmel tatsächlich von den Plänen der Bundesregierung betroffen?

Wir haben in Krümmel 350 eigene Mitarbeiter, die ständig durch bis zu 300 Externe ergänzt werden. Dazu kommen natürlich viele Firmen aus der Region, die für uns Arbeiten erledigen, vom Maler bis zum Installateur. Hinter all den Mitarbeitern stehen Menschen und Familien aus der Region, die hier verwurzelt sind.

Würde sich der Standort Krümmel nicht für eine Ersatzinvestition anbieten? Die Fläche wäre doch da. Vielleicht könnte ein Gaskraftwerk gebaut werden?

Die Motivation des Konzerns für Investitionen ist gerade hier in Norddeutschland, wenn man sich einmal die jüngste Geschichte in Sachen Großindustrie anschaut, sei es was die Diskussionen um die Kernkraftwerke oder den Bau des Kohlekraftwerks in Moorburg angeht, verständlicherweise gering. Ein Gaskraftwerk wäre zudem lange nicht so personalintensiv wie ein Kernkraftwerk. Aber es ist richtig, von der Infrastruktur her wäre der Standort Krümmel nahezu ideal, um hier einfach nur mit anderen Quellen Strom zu erzeugen.

Wie sieht denn die konkrete Zukunftsplanung am Standort aus?

Der Rückbau, wenn es denn tatsächlich so kommen sollte und der Beschluss unumkehrbar ist, wird ja 15 bis 20 Jahre dauern. Zeit, in der noch viele Mitarbeiter gebraucht werden. Da die Planungen zum Rückbau aber erst am Anfang stehen lassen sich die Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation noch nicht genau einschätzen. Erfahrungen aus anderen Rückbauprojekten zeigen aber, dass mit Fortschritt der Arbeiten auch eine Verringerung der Beschäftigtenzahlen einhergeht. Wir haben viele motivierte junge Kollegen, die noch eine deutlich längere Zeit arbeiten möchten.

Was fordern Sie von der Politik, um den Mitarbeitern die Zukunftsängste zu nehmen?

Die Politik sollte schnell die Rahmenbedingungen für dringend nötige Ersatzinvestitionen schaffen. Die Politik hat das Aus für die Nutzung der Kernenergie entschieden, also sollte sie uns jetzt auch helfen, und zwar nicht nur mit Plattitüden. Was die Kollegen brauchen, ist eine verlässliche Grundlage für ihre Zukunftsplanung.

Wie beurteilen Sie den technischen Stand des KKK?

Krümmel ist, nicht zuletzt wegen der erfolgten Investitionen seit 2007, auf einem hervorragenden technischen Stand. Das hat ja auch die Reaktorsicherheitskommission festgestellt, die die Anlage im Rahmen des Moratoriums für die Regierung überprüft hat. Die Mitarbeiter haben im Betrieb immer ein Höchstmaß an Sicherheit walten lassen und sind keine Kompromisse eingegangen.

Was bedeutet das Aus für die Mitarbeiter konkret?

Unsere Kollegen hoffen, noch lange hier am Standort Krümmel tätig sein zu können. Aber viele Projekte und Arbeiten, die für den Leistungsbetrieb des Kraftwerks erforderlich waren, werden in Zukunft nicht mehr benötigt. Das wird sich auf die Auftragslage der tätigen Firmen und die Einkommenssituation der Beschäftigten auswirken. Das kann die ganze Region spüren, wenn plötzlich sehr viel Geld für den Konsum fehlt.

"Die Motivation des Konzerns für Investitionen ist gerade hier in Norddeutschland verständlicherweise gering."

Rainer Kruppa, Betriebsratsvorsitzender Vattenfall Europe Nuclear Energy