Lauenburg/Büchen. Die Zulassung für den Regelverkehr steht noch aus. Dabei sollten die Züge der Schweizer Firma Stadler schon fast ein Jahr rollen.

Der Einsatz moderner Akku-Züge auf der Strecke Kiel – Lübeck – Büchen – Lauenburg – Lüneburg verzögert sich weiter. Der designierte technische Geschäftsführer von Erixx Holstein, Rainer Blüm, hat jüngst auf einer Pressekonferenz mit Schleswig-Holsteins Verkehrsstaatssekretär Tobias von der Heide und Nah.SH-Chef Arne Beck die Bombe platzen lassen. Der Start wird erneut verschoben.

Jetzt gilt der Dezember 2023 als voraussichtlicher Beginn für den Regelbetrieb auf der Erixx-Strecke. Dann hinkt die Einführung den Planungen gut ein Jahr hinterher.

Erixx Holstein: Akku-Züge verzögern sich weiter, weil Zulassung noch fehlt

Rainer Blüm betonte mit Seitenblick auf die Vertreter der Landesregierung und von Nah.SH, die Verzögerungen habe nicht Erixx zu verantworten. Auch nicht, dass die notwendigen Genehmigungen für den Regelbetrieb zu spät beantragt wurden.

Insgesamt 55 Akku-Züge hat Nah.SH 2019 nach Ausschreibung beim Schweizer Anbieter Stadler Rail bestellt. 26 sind für Erixx vorgesehen, 29 weitere für andere Strecken in Schleswig-Holstein. Tatsächlich hätten die Triebwagen für Erixx bereits gegen Jahresmitte 2022 ausgeliefert werden sollen. Weil dies nicht klappte, musste Erixx Holstein auf den im Dezember 2022 von der Deutschen Bahn übernommenen Strecken mit alten, teils kaum einsatzfähigen Dieselzügen starten, die Nah.SH für die Überbrückung von DB Regio übernommen hatte.

Hightech-Züge sollen Diesel-Triebwagen ablösen

Der Akku-Zug FLIRT des Schweizer Unternehmens Stadler ist für den Einsatz in Schleswig-Holstein vorgesehen.  Das Land will mit ihm Dieselzüge auf Strecken ablösen, die bislang nicht elektrifiziert sind.
Der Akku-Zug FLIRT des Schweizer Unternehmens Stadler ist für den Einsatz in Schleswig-Holstein vorgesehen.  Das Land will mit ihm Dieselzüge auf Strecken ablösen, die bislang nicht elektrifiziert sind. © BGZ | Stadler Rail

Als nächstes verkündete die Nahverkehrsgesellschaft Schleswig-Holstein (Nah.SH) „für Fahrgäste sind die Akku-Triebwagen ab Mai 2023 im Netz Ost im Einsatz“, wie noch im Internetauftritt von Nah.SH zu lesen ist. Im Oktober 2022 seien bereits erste Testfahrten auf den Strecken absolviert worden. Und weiter: „Auf den Linien RE 83/84 Kiel – Lübeck – Lüneburg werden dann Dieselfahrzeuge von den neuen Akku-Triebwagen, die mit Ökostrom fahren, abgelöst.“

Nah.SH hat noch den Spätsommer als Start kommuniziert

Damit nicht genug, hat Nah.SH am 15. Mai in einem Bericht über den (verspäteten) Baustart für das Instandhaltungswerk in Rendsburg berichtet, dass dort bald die 55 bestellten FLIRT Akku-Züge gewartet würden. Und weiter: „Mit diesen Zügen soll ab Spätsommer 2023 der Betrieb von rund 10 Millionen batterieelektrischen Zugkilometern auf elf Bahnlinien aufgenommen werden, die rund 40 Prozent des Bahnverkehrs in Schleswig-Holstein umfassen.“

Aktuell möchte sich Erixx Holstein nicht zu den Vorgängen äußern, verweist an den Auftraggeber Nah.SH. Die Metronom-Tochter war über den Jahreswechsel bis in den März mit vielen Zugausfällen, massiven Verspätungen und zwei Notfahrplänen zwischen Kiel und Lüneburg an den Start gegangen.

Aus für Dieselloks: Erixx soll 26 neue Triebwagen erhalten

Neben Personalmangel spielte dabei auch der von Nah.SH organisierte, marode Fuhrpark eine Rolle. Allein bis März 2023 hat Nah.SH 3,1 Millionen Euro Strafzahlungen gegen Erixx Holstein verhängt. Die für Erixx vorgesehenen 26 neuen Akku-Züge werden von Nah.SH erworben und dann dem privaten Bahnunternehmen zur Verfügung gestellt.

Erixx Holstein will von Ende 2023 an Akku-Zügen der Firma Stadler einsetzen. Sie bieten neben mehr Platz für die Fahrgäste auch verbesserte Möglichkeiten für Fahrradfahrer. . 
Erixx Holstein will von Ende 2023 an Akku-Zügen der Firma Stadler einsetzen. Sie bieten neben mehr Platz für die Fahrgäste auch verbesserte Möglichkeiten für Fahrradfahrer. .  © BGZ | Stadler.

Nah.SH weist jede Verantwortung für die entstandenen Verzögerungen bei der Einführung der neuen Triebwagen von sich. Schon im Januar hatte Landesverkehrsminister Claus Ruhe Madsen mit Blick auf Stadler Gründe genannt: Von den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Personal sowie Materialknappheit bis zu jüngeren Problemen des Unternehmens, die richtigen Computerchips zu beschaffen.

Nah.SH: Zulassungsprozess ist verspätet gestartet

Auf Nachfrage bestätigt Nah.SH, „der Zulassungsprozess ist verspätet gestartet“: Doch dies liege weder in der Verantwortung des Landes noch in der, der Nahverkehrsgesellschaft, sagt Nah.SH-Sprecherin Ina Michael. Für die notwendigen Genehmigungen sei allein die Herstellerfirma zuständig.

Bei Stadler reagiert man verwundert auf Klagen bezüglicher der Kommunikation. „Wir sind über den Projektfortschritt in ständiger Abstimmung mit Nah.SH, dem Auftraggeber“, betont Sprecherin Julia Bülow. Die weitere Kommunikation sei jedoch nicht Aufgabe von Stadler.

Hersteller: Genehmigung von 2018 gilt nur für Prototypen

Wohl aber die notwendigen Genehmigungen für den Regelbetrieb der neuen Züge. „Seit 2018 liegt eine Genehmigung für den Prototyp vor, den wir als Testträger einsetzen“, bestätigt Bülow. „Doch die allgemeine Zulassung für das Serienfahrzeug steht noch aus.“ Der Start dieses Verfahrens sei von den Verantwortlichen nicht verschlafen worden, so Bülow. „Dazu gehören Testfahrten. Die können wir aber nur mir fertig entwickelten Fahrzeug absolvieren.“

Stadler widerspricht: Wir haben Zulassungsverfahren nicht verschlafen

Das Verfahren beim Eisenbahnbundesamt sei zeitaufwendig, dauert mehrere Monate, weiß Bülow. Und gibt sich zugleich zuversichtlich. „Im zweiten Halbjahr 2023 werden wir die Fahrzeuge für Erixx ausliefern.“

Für den Bahnanbieter bedeutet dies einen Aufschub. Erixx gewinnt damit ein wenig Zeit, zusätzliche Triebwagenführer auszubilden oder einzustellen, um den Mangel an Personal zu beheben.

Auch Karl-Peter Naumann, Sprecher des Fahrgastverbandes Pro Bahn, kann den Verzögerungen etwas gutes abgewinnen. „Bis dahin funktioniert dann hoffentlich alles, einschließlich der Ladeinfrastruktur für die Akku-Züge. Sonst drohen uns da noch richtige Probleme“, hat er bereits vor geraumer Zeit gewarnt. Immerhin sind seit längerem Lade-Inseln wie in Büchen fertiggestellt. Dort sollen die Stadler-Züge ihre Akkus aufladen.