Harburg/Lüneburg/Stade. Welle der Hilfsbereitschaft: Lüneburg schaltet Hilfetelefon, Seevetal organisiert Benefizkonzert. Engagement in der Region ist enorm.

Der Krieg in der Ukraine bewegt die ganze Welt, Deutschland und auch die Menschen im Landkreis Harburg sowie in der Region. Die Hilfsbereitschaft ist enorm groß. Es gibt zahlreiche Initiativen, private sowie von Firmen und Hilfsorganisationen organisierte, die nur ein Ziel haben: Den Menschen in der Ukraine irgendwie zu helfen.

Die Abendblatt-Redaktion in Harburg gibt einen Überblick und wird auch in den kommenden Tagen darüber informieren, wie geholfen werden kann und wird.

Von Lüneburg aus rollt Hilfskonvoi in Richtung Ukraine

Bei der Stiftung Hof Schlüter in Lüneburg haben die Ehrenamtlichen fünf Stunden lang gepackt. Am frühen Dienstagnachmittag war der schwarze Lastwagen bis unter die Plane gefüllt mit Dingen, die in der Ukraine dringend gebraucht werden. 200 Matratzen, 600 Schlafsäcke, Isomatten und Wolldecken sowie sechs Tonnen Lebensmittel wurden zunächst nach Ungarn gebracht und von dort aus in kleineren Lastwagen über die Grenze. Die Stiftung organisiert jedes Jahr etwa zehn Hilfstransporte in das Land, unterstützt Schulen, Krankenhäuser und Kinderheime. Die nächste Fahrt war bereits geplant, mit Betten und einer Waschmaschine für ein Krankenhaus in der Stadt Bila Zerkwa, etwa 80 Kilometer südlich von Kiew.

Die Lüneburger Stiftung Hof Schlüter schickt Lkw mit Hilfsgütern über Ungarn in die Ukraine. Vorstand André Novotny (l.) hat mit einem kleinen Team aus Ehrenamtlichen fünf Stunden das Fahrzeug beladen. Am Dienstagnachmittag startete der Hilfstransport.
Die Lüneburger Stiftung Hof Schlüter schickt Lkw mit Hilfsgütern über Ungarn in die Ukraine. Vorstand André Novotny (l.) hat mit einem kleinen Team aus Ehrenamtlichen fünf Stunden das Fahrzeug beladen. Am Dienstagnachmittag startete der Hilfstransport. © Lena Thiele

„Dort gab es in der vergangenen Nacht Bombenangriffe, die Menschen leben in Angst“, sagt Stiftungsvorstand André Novotny. Auch im Heim, das sie unterstützen, mussten die Kinder in den Keller fliehen. „Wir würden sie gern dort rausholen, aber das ist derzeit zu gefährlich.“ Um den Menschen zu helfen, werden weiter Spenden gesammelt. Kleidung, haltbare Lebensmittel, Babynahrung sowie Schlafsäcke und Decken werden in einer großen Scheune gelagert, Geldspenden sind über die Website der Stiftung möglich. Gegen 14.45 Uhr rollte der schwarze Lkw vom Hof. Wann er sein Ziel erreichen würde, wusste der Fahrer nicht, die Straßen Richtung Grenze, so hieß es, seien voll.

Erste ukrainische Familie in Lüneburg angekommen

Um Hilfsangebote zu bündeln, hat die Stadt Lüneburg eine Hotline geschaltet. Wer spenden will oder Menschen bei sich aufnehmen kann, kann sich unter 04131/309 45 67 melden, vorerst montags bis freitags von 10 bis 17 Uhr. Zudem gibt es eine E-Mail-Adresse: ukraine-engagement@stadt.lueneburg.de. Die zweite Hotline (für Ukrainer) lautet 04131/ 309-4444 und ist geschaltet, damit die Geflüchteten und ihre Angehörigen Fragen des Aufenthalts, der Unterbringung und der Versorgung klären können. Informationen sollen auch in ukrainisch, russisch und/oder englisch verfügbar sein.

Die erste ukrainische Familie ist unterdessen am Montag in Lüneburg angekommen, sie ist bei Verwandten untergekommen. Für weitere Geflüchtete hat die Stadt rund 160 freie Plätze in Gemeinschaftsunterkünften. Der Landkreis Lüneburg hat unter anderem 60 freie Plätze in Dahlenburg. Der Kreisausschuss hat am Montag beschlossen, aufgrund der Situation zunächst eine Million Euro sowie zusätzlich 500.000 Euro für Kitas im Haushalt 2022 bereitzustellen. Das Bildungs- und Integrationsbüro erstellt eine Liste von Dolmetschern.

In der IGS in Buchholz werden die vielen Spenden gesammelt und sortiert. Heute gehen fünf Transporter auf die Reise.
In der IGS in Buchholz werden die vielen Spenden gesammelt und sortiert. Heute gehen fünf Transporter auf die Reise. © Michelle Steinert/IGS

Auf dem Erdbeer- und Spargelhofs Löscher in Hoopte stapeln sich die Hilfsgüter

Auch aus Buchholz soll an diesem Mittwoch ein Hilfskonvoi in Richtung des Krisengebietes rollen. Bauunternehmer Steffen Lücking aus Langenrehm startete gemeinsam mit der IGS Buchholz und Unterstützung aus Hamburg durch den Waldorfkindergarten Alte Rabestraße, der gemeinnützigen Kultur- und Bildungsinstitution TONALi und der Katholischen Grundschule Hochallee die Aktion. Dafür wird in der IGS Buchholz (Buenser Weg 42) gesammelt. Ein erster Transport mit fünf Bussen geht heute Richtung ukrainische Grenze auf die Reise. Benötigt werden Trinkwasser, Medikamente wie Paracetamol, Ibuprofen, Aspirin, Erste Hilfe-Kits, Konserven und Fertiggerichte, Tütensuppen, Nudeln, Reis, Haferflocken, Knäckebrot, Kekse, Trockenfrüchte und Nüsse, Kondensmilch und H-Milch, Milchpulver, Babynahrung, Pre-Milch Pulver, Instantbrei, Gläschen, Windeln, Bettwäsche, Hygieneartikel, Schlafsäcke, Decken und Regenkleidung.

In den Hallen des Erdbeer- und Spargelhofs Löscher in Hoopte stapeln sich derweil die Hilfsgüter. Die Hilfsbereitschaft sei riesig, sagen die Organisatoren. Patryk Ostrowski, der für die Deutsche Vermögensberatung in Winsen arbeitet, ist einer von ihnen. Gesammelt wird in erster Linie durch die polnisch-katholische Mission in Hamburg. Felix Löscher steuert den Platz bei. Auch Krankenhäuser und Apotheken aus der Region lassen Medikamente und Hygieneartikel liefern, die dringend benötigt werden. Die Supermarktkette Edeka habe darüber hinaus angekündigt, am Donnerstag Nahrungsmittel und Wasser zu bringen, berichten die Organisatoren. Auch das Deutsche Rote Kreuz unterstützt die Aktion.

„Wir als Stadt werden im Rahmen unserer Möglichkeiten helfen, wenn es darum geht, die Folgen und Auswirkungen dieses entsetzlichen Krieges zu bewältigen“, sagt Theodor Peters als Sprecher der Stadt Winsen. Es gebe bereits eine Reihe privater Initiativen auch hier in der Region, um den Flüchtlingen aus der Ukraine in den unmittelbar benachbarten Ländern zu helfen. Der Landkreis Harburg habe bereits die Städten und Gemeinden zu einem Gespräch eingeladen. Von Katja Bendig, Sprecherin des Landkreises Harburg hieß es auf Abendblatt-Anfrage allerdings, man bereite sich derzeit noch nicht konkret auf die Ankunft ukrainischer Kriegsflüchtlinge vor.

Der Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, Dr. Marco Trips, sowie die Hauptgeschäftsführer von NLT und NST, Prof. Dr. Hubert Meyer und Dr. Jan Arning, erklären gemeinsam für die niedersächsischen Kommunen Aufnahmebereitschaft und Unterstützung für Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland fliehen: „Wir werden alles in unserer Verantwortung Mögliche tun, um Unterbringung, Versorgung und Sicherheit aller ukrainischer Vertriebenen zu gewährleisten.“

Benefizkonzert am 11. März in der Burg Seevetal

Die Gemeinde Seevetal knüpft derzeit Kontakte in die Ukraine, damit Spenden zielgenau die Menschen erreichen. „Den Menschen geht das Schicksal der Ukraine und ihrer Bevölkerung sehr nahe. Viele melden sich hier im Rathaus und bieten ihre Hilfe an“, sagt Bürgermeisterin Emily Weede. „Zum Zeichen der Verbundenheit wollen wir die ukrainische Flagge vor dem Rathaus hissen.“ Zudem gibt es am 11. März ein Benefizkonzert in der Burg Seevetal. Der Eintritt von fünf Euro wird gespendet. Das Gymnasium Meckelfeld plant für Freitag eine Solidaritätsaktion: Die Schülerinnen und Schüler stellen sich um 13 Uhr zu einem großen Peace-Zeichen auf.

Um zu helfen, hat das Team des Harburg Marketing Vereins (ehemals Citymanagement) beschlossen, in der Harburg-Info, Hölertwiete 6, sowie im Harburg-Pop-Up-Store im Phoenix-Center zentrale Sammelstationen für Sach- und Geldspendeneinzurichten um die Spenden von dort aus gebündelt weiterzugeben. So wird allen Harburgern die Möglichkeit geboten schnell und einfach zu helfen. Benötigt werden vor allem Medikamente, Verbandsmaterial, Desinfektionsmittel, lang haltende Lebensmittel, Trinkwasser, Babynahrung, warme Kleidung, Taschenlampen, Schlafsäcke und Hygieneartikel.

Die Sachspenden werden von Harburg direkt an die ukrainische Grenze gefahren und dort von Freunden des Harburg Marketing e.V., an die Betroffenen verteilt. Was nicht mehr ins Auto passt, wird von der Citymanagerin Antonia Marmon an eine zentrale Sammelstation in der Hamburger City gebracht. Die Sammelstellen öffnen jeweils um 9.30 Uhr und schließen um 18 Uhr (Info) beziehungsweise 20 Uhr (Pop-Up).

In Winsen werden Spenden entgegengenommen

In Winsen werden täglich (außer sonntags) von 9 bis 20 Uhr in der Halle Osttangente 195 Spenden entgegengenommen. Gesammelt werden Lebensmittel (essfertige Konserven aller Art, sonstige haltbare und sofort verzehrbare Lebensmittel, Trinkwasser in kleinen Plastikflaschen (0,33/0,5), medizinische Hilfsmittel, u.a. blutstillende Druckverbände, Bandagen aller Art, Medizinische Tamponaden, Einweg-Spritzen, Infusionssysteme, Gipsschienen, Antiseptika, Scheren zum Schneiden von Gips/Kleidung, Okklusivverbände, Hämostase Schwämme, sterile Verbände und vieles mehr. Es werden zudem Logistikunternehmen in und um Hamburg gesucht, die Kapazitäten für Transport von Hilfsgütern Richtung polnisch-ukrainische Grenze zur Verfügung stellen können.

Auch der Round Table 165 Winsen hilft mit einer Geldspende in Höhe von 1000 Euro. Die Güter sollen einerseits den Frauen zugutekommen, die sich auf der Flucht befinden. Andererseits sollen aber auch Güter an die ukrainischen Männer gehen, die an der Front bleiben mussten. Kleidungsstücke für die Frauen habe man bereits genug, sagen die Organisatoren, man könne sie nicht mehr entgegennehmen. Stattdessen seien dringend Sachspenden für die Männer benötigt: Konserven, Batterien, dicke Socken, Jacken und Hosen in dunkler Farbe, Thermounterwäsche, Bundeswehrkleidung, Taschenlampen, dicke Decken und Schlafsäcke.

Am Freitag startet ein Transport von Hilfsgütern in Lüneburg

In Lüneburg wiederum sammeln Polizeibeamte Hilfsgüter für die Aktion. Am Freitag sollen alle Güter nach Polen an die Grenze gebracht werden. Auch ein Lkw samt Fahrer wurde mittlerweile gestellt. „Eigentlich hatten wir vor, alles mit zwei kleinen Bussen an die Grenze zu bringen. Es ist der Wahnsinn, wie viel nun zusammenkommen konnte“, sagen die Organisatoren.

Vor den Messen, die am heutigen Mittwoch jeweils um 19 Uhr beginnen, können Hilfsgüter vor der St. Joseph Kirche (Große Freiheit 41) und der Heilig-Kreuz-Kirche in Neugraben (An der Falkenbek 10) abgegeben werden.

DRK sucht Alltagshelfer, die ukrainisch sprechen

Eine Hilfsorganisation, bei der die Hilfe für Flüchtlinge und Kriegsopfer eigentlich im Erbgut steckt, ist das Rote Kreuz. Dennoch hört man aus den beiden Kreisverbänden Hamburg-Harburg und Harburg-Land des Deutschen Roten Kreuz‘ (DRK) derzeit kaum etwas zur humanitären Krise durch den Krieg in der Ukraine. Das hat einen Grund: Das Rote Kreuz ist eine internationale Hilfsorganisation, bei der auch der zweite Wortteil wichtig ist: Organisieren.

Das DRK koordiniert derzeit mit den anderen europäischen Verbänden, was gebraucht wird, was zu tun ist und wer es leistet, um dann umso effizienter helfen zu können. „Wir stehen bereit, um Aufträge der Freien und Hansestadt Hamburg im Rahmen der Flüchtlingshilfe zu übernehmen“, sagt Ulrich Bachmeier, Koordinator für Migrations- und Flüchtlingshilfe beim DRK-Kreisverband Hamburg-Harburg. „Und wenn die Bundesgeschäftsstelle in Berlin uns Aufgaben gibt, natürlich auch. Außerdem bereiten wir uns in der bereits bestehenden Flüchtlingshilfe darauf vor, dass demnächst mehr Ukrainer Hilfe benötigen.“ So sucht das DRK Hamburg-Harburg für seine „Alltagshelfer“-Gruppe Ehrenamtliche, die ukrainisch sprechen. Alltagshelfer unterstützen Migranten bei Behördengängen, Bewerbungen und beim Ausfüllen von Formularen. „Es haben sich schon einige bei uns gemeldet“, sagt Bachmeier, „aber ich fürchte, wir brauchen mehr.“

Seeleute machen sich Sorgen

Auch im Seemannsclub „Duckdalben“ ist der Krieg angekommen. Alle Seeleute machen sich Sorgen. Auf vielen Schiffen arbeiten Russen und Ukrainer zusammen. „An Bord spielen solche Konflikte keine Rolle“, sagt Seemannsdiakon Jan Oltmanns.“ Der Duckdalben versorgt bei seinen Seemanns-Impf-Aktionen deshalb auch ukrainische und russische Impflinge gleichermaßen und gleichzeitig. „Wir hatten eine Anfrage aus der Behörde, ob wir dafür Polizeischutz brauchen, falls Streit ausbricht“, sagt Oltmanns. „Das zeigt nur, wie wenig diese Beamten von der Seefahrt wissen.“

„Unfassbar, dass ein Angriffskrieg wie dieser im Jahre 2022 in Europa überhaupt möglich ist“, sagt Buchholz‘ Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse. „Bedrückend ist, wie hilflos wir das am Ende alles geschehen lassen müssen. Ich fühle mich stark an die frühen 1980er Jahre erinnert, wo ich als Teenager Angst vor einem Atomkrieg hatte. Heute ist mein Sohn 16 Jahre alt, und die Angst vor Krieg ist wieder da.“