Hannover/Kiel. Ohne GPS läuft da nichts: Mit dem Global Positioning System (GPS), also dem Globalen Positionsbestimmungssystem, streifen die Fans der elektronischen Schnitzeljagd durch Feld und Flur. Auch Tausende Norddeutsche sind mit ihren mobilen GPS-Empfängern auf der Pirsch, um per Satellitenhilfe kleine Schätze zu finden, die Mitstreiter in ausgewählten Verstecken platziert haben. Geocaching nennt sich dieses Phänomen.
Doch in letzter Zeit stoßen die modernen Schatzsucher immer öfter auf Probleme: Denn die kleinen Schätze liegen dabei häufig in Schutzgebieten wie den Nationalparks. Pünktlich zur Brut- und Setzzeit in der Tierwelt rufen norddeutsche Naturschützer und Jäger die Geocacher nun zu mehr Rücksicht auf. „Sonst greift das Ordnungswidrigkeitenrecht“, sagt Martin Schmidt vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume in Schleswig-Holstein. Und Florian Rölfing von der Landesjägerschaft Niedersachsen sagt: „Geocaching kann sich negativ auf das Ruhebedürfnis wild lebender Tierarten auswirken.“
In Baumhöhlen werden Fledermäuse gestört
Geocaching erfreut sich wachsender Beliebtheit. Die Spielidee ist einfach: Ein Teilnehmer versteckt einen Behälter mit kleinen Gegenständen (dem sogenannten Cache) und veröffentlicht die Koordinaten auf einschlägigen Webseiten im Internet. Dort können sich Mitspieler einen Cache auswählen und schließlich auf die Suche unter freiem Himmel begeben.
Nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz liegen die Fundorte allerdings häufig in geschützten Naturräumen. „Dies kann zur Belastung von Pflanzen und Tieren führen“, heißt es im Bundesamt. Zwar sei das Geocachen in Niedersachsens Schutzgebieten möglich und sehr beliebt, sagt Herma Heyken vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küstenschutz und Naturschutz.
„Konflikte aber entstehen durch das Betreten von Lebensräumen störungsempfindlicher Arten, zum Beispiel von Fledermäusen.“ Der Nabu Schleswig-Holstein kritisiert, dass unter anderem Baumhöhlen genutzt und auf diese Weise Schutzzeiten für Fledermäuse missachtet würden.
Suche im Revier von Kreuzottern
Doch auch andere Tiere kommen den Schatzsuchern in die Quere: So hatten Geocacher am Winderatter See im Kreis Schleswig-Flensburg eine Tour geplant. „Dort aber gibt es ein Kreuzottervorkommen. Die Spieler konnten allerdings rechtzeitig von ihrem Vorhaben abgebracht werden“, berichtet Schmidt.
In Niedersachsen klagen Umweltschützer über die Fans dieser neuen Sportart, die rund um das Steinhuder Meer aktiv sind. „Wir haben schon mitten im Naturschutzgebiet einen Geocache neben dem Nest von Kranichen gefunden“, sagt Thomas Brandt von der Ökologischen Schutzstation Winzlar.
Jäger sind verärgert
Unmut äußern auch die Jäger. Die niedersächsische Landesjägerschaft etwa verweist auf neue Studien. Sie würden belegen, dass Wanderfalken und Uhus durch das großräumige Auftreten der digitalen Schatzsucher eine verringerte Aufzuchtrate hätten. Beide Arten seien aber durch das Bundesnaturschutzgesetz in hohem Maße geschützt.
„Die Jungs sind doch nicht ganz frisch im Kopf“, ärgert sich Norbert Leben, Kreisjägermeister im Landkreis Harburg, über extreme Fälle der Schnitzeljagd. Sogar in den Baumwipfeln einen „Schatz“ zu verstecken gehe ihm wirklich zu weit.
Anfang Mai war ein 61-jähriger Mann in Kayhude im Kreis Segeberg auf der Suche nach dem Cache auf einen Baum geklettert und dort gestorben. Nach ersten Erkenntnissen hatte der Hamburger beim Klettern einen Herzinfarkt erlitten. Gefährlich wird es auch, wenn die Geocacher abseits der Waldwege herumstreifen. Man müsse dann immer damit rechnen, dass einem „so jemand vor die Flinte läuft“, sagt Kreisjägermeister Leben.
Achtung bei Wildschweinen
Auch die Geocaching-Szene weiß um die Risiken in der freien Natur. So warnt der Verein Geocaching im Emsland: „Lege dich nicht mit Wildschweinen an. Eine Wildsau, die sich und ihre Jungen bedroht fühlt, macht kurzen Prozess.“ Regelmäßig informieren Geocaching-Experten über Verhaltensregeln in der Natur.
Das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume in Schleswig-Holstein appelliert nun an die Vernunft der Schatzsucher. „Sie brauchen nicht nur eine Suchnase, sondern auch ihren Verstand“, sagt Martin Schmidt. Am besten sei es, die ausgeschilderten Wege nicht zu verlassen. Der Nabu fordert, dass Geocaching-Verstecke auf den unmittelbaren Wegerandbereich beschränkt werden.
Neugier auf die Natur
Florian Rölfing von der Landesjägerschaft Niedersachsen räumt ein, dass viele Fehler aufgrund von Unkenntnis der Geocacher gemacht würden. „Wichtig ist daher ein direkter und umfassender gegenseitiger Austausch vor Ort.“ Wenn gewisse „Spielregeln“ berücksichtigt werden würden, könnte Geocaching neue Zielgruppen an die Natur heranführen.
Im Nationalpark Harz wird das schon länger versucht: Um Vorurteile zu überwinden und neue Kooperationen zu entwickeln, sammeln Geocacher und Naturschützer dort inzwischen einmal im Jahr Zivilisationsmüll.
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