Untersuchung offenbart Schadstoffbelastung in Wedel. Wer für eine Sanierung zahlen müsste, ist strittig. Hamburg lässt Alternativstandorte prüfen

Wedel. Bei Niedrigwasser lässt es sich am besten beobachten. Dann blubbern Schadstoffe aus dem Schlick im Wedeler Hafenbecken. Es sind Rückstände der ehemaligen Ölraffinerie, die sich Jahrzehnte nach der Betriebsschließung ihren Weg aus den Tiefen der Erde bahnen und bei Flut als Ölfilm auf dem Wasser schwimmen. Während dieses Problem bekannt ist und von der Stadt Wedel in Angriff genommen wird, schlummern nicht weit entfernt relativ unbehelligt weitere Schadstoffe.

Erst Vattenfalls Neubaupläne für ein Gaskraftwerk als Ersatz für das alte Steinkohlekraftwerk und die damit verbundenen Untersuchungen förderten zutage, dass das Kraftwerksareal auch mit Schadstoffen belastet ist. Das geht aus einem Boden- und Zustandsbericht hervor, der Teil des umfangreichen Genehmigungsverfahrens für den Bau des neuen Gaskraftwerks ist und dem Abendblatt vorliegt.

Auf dem Industriegrundstück am Tinsdaler Weg wurden Mineralölkohlenwasserstoffe in erhöhter Konzentration sowie signifikante Verunreinigungen des Grundwassers durch leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe (LHKW) nachgewiesen, von denen einige als krebserregend gelten.

Bauarbeiten sollten längst begonnen haben

Die Konsequenz: Bevor in Wedel gebaut werden darf, müssen der Boden und das Grundwasser umfangreich untersucht werden und muss eine mögliche Sanierung mit der Aufsichtsbehörde des Kreises Pinneberg abgestimmt werden. Insbesondere der sogenannte zweite Grundwasserleiter – eine Gesteinsschicht – ist betroffen. Ihn zu sanieren kostet Zeit, wie ein Blick über den Zaun in den Businesspark zeigt. Dort kämpft Wedel seit mehr als zwei Jahren um eine Sanierungslösung für eben diesen Grundwasserleiter, der wohl auch die Schadstoffe zum Kraftwerksgelände hinüberspülte. „Nach den vorliegenden Kenntnissen spricht daher derzeit alles dafür, dass die Quelle der LHKW- und Benzol-Verunreinigung im Grundwasser vermutlich östlich des Vattenfall-Geländes im Bereich des Mineralölwerks Wedel (heutiger Businesspark) liegt“, heißt es dazu in dem für den Kraftwerksbetreiber Vattenfall erstellten Gutachten.

Mittlerweile tickt die Uhr. Ursprünglich wollte Vattenfall mit dem Bau des Gaskraftwerkes längst begonnen haben. Doch der Hamburger Volksentscheid 2013, der die Stadt zum Rückkauf der Netze verpflichtete, ließ die Pläne stocken. Das Stromnetz ist im Besitz der Hansestadt, für die Übernahme des Fernwärmenetzes inklusive Heizkraftwerk in Wedel einigten sich der Senat und Vattenfall auf eine Kaufoption. Die kann Hamburg 2019 ziehen – entweder für 950 Millionen Euro mit altem Kraftwerk in Wedel oder für 1,15 Milliarden Euro mit neuem Kraftwerk, das dann aber fertig sein müsste.

Auch wenn die Bagger in Wedel morgen losrollen würden, wäre der Zeitplan mehr als eng. „Wir können nicht genau sagen, bis wann das Kraftwerk fertig ist. Aber wir rechnen mit einer Bauzeit von mindestens drei Jahren“, sagt Vattenfall-Sprecherin Barbara Meyer-Buckow. Zuvor müssten Hamburg und Vattenfall entscheiden, ob das Kraftwerk nun kommen soll. Damit wird frühestens Mitte 2015 gerechnet. Laut Meyer-Buckow ist die Schadstoffproblematik Vattenfall seit der Genehmigung bekannt und in die Zeitplanung eingerechnet, ein Sanierungskonzept brauche es nicht. Allerdings ist unklar, was sich unter dem Kohlelager verbirgt, wo der Neubau entstehen soll. Dort kann erst nach Räumung der Kohle gemessen werden. Wenn man Schadstoffe finde, könne sich das auf den Zeitplan auswirken, so Meyer-Buckow. „Wir gehen im Moment nicht davon aus.“

Klar ist, dass belasteter Boden für einen Neubau weg muss. Wer für die Sanierung herangezogen wird und wie sie vonstatten gehen muss, entscheidet die zuständige Aufsichtsbehörde des Kreises Pinneberg nach den weiteren Messungen.

Hansestadt Hamburg ist sicher, für Sanierung nicht zahlen zu müssen

Dabei ist nicht automatisch der Verursacher derjenige, der zahlen muss. „Es kann genauso der jetzige Grundstückseigentümer oder ein möglicher neuer Käufer für die Sanierung in die Pflicht genommen werden“, so Einar Landschoof, Teamchef Bodenschutz und Grundwasser des Kreises.

„Für die Sanierung sind Wedel, Mobil Oil als Verursacher und Vattenfall als eventueller Bauherr zuständig“, sagt hingegen Volker Dumann, Sprecher der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Also nicht die Hansestadt als eventueller neuer Eigentümer. Skeptischer sind die Hamburger Grünen. In einer Anfrage an den Senat geht es um die Risiken für die Stadt, das Wissen um die Schadstoffe zum Zeitpunkt des Kaufvertrages und die Auswirkungen auf Bauzeit und Realisierung des Projekts.

In Hamburg wird derweil über Alternativen gesprochen. „Ja, wir lassen weitere Standorte prüfen“, sagt Dumann. Mit einem Ergebnis des Gutachterbüros wird bis Sommer gerechnet.