Terrorgefahr: Bundesverwaltungsgericht entzieht Kernkraftwerk Brunsbüttel Genehmigung für Aufbewahrung

Brunsbüttel. Die Atommülllagerung in Deutschland wird zusehends zur Posse. Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig hat entschieden, dass der Entzug der Genehmigung für das atomare Zwischenlager im Kernkraftwerk Brunsbüttel rechtens war. Eine Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig vom 19. Juni 2013 ist nicht möglich. Das somit eigentlich illegale Lager wird dennoch fortgeführt. Das hat der für die Atomenergie zuständige Energiewendeminister Robert Habeck (Grüne) am Freitag angeordnet. Mit anderen Worten: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig wird ignoriert.

Habeck gestand am Freitag ein, dass dies „eine schwierige Situation“ sei. „Eine genehmigte Lagerstätte, an welcher der Kernbrennstoff sicherer gelagert werden kann als im Zwischenlager Brunsbüttel, gibt es in Schleswig-Holstein nicht.“ Die schleswig-holsteinische Atomaufsicht habe die Lagerung in Brunsbüttel deshalb angeordnet und dulde sie bis Anfang 2018. Habeck: „Dies ist notwendig, damit es keinen rechtsfreien Raum gibt.“

Mit dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts steht auch der mühsam zusammengezimmerte nationale Atomkonsens auf der Kippe. In Brunsbüttel sollen einige der 26 Castorbehälter mit radioaktivem Müll aus deutschen Kraftwerken untergebracht werden, die derzeit noch in englischen und französischen Wiederaufbereitungsanlagen stehen. Für die Zustimmung zum Transport nach Brunsbüttel war der schleswig-holsteinische Energieminister Robert Habeck (Grüne) im Jahr 2013 scharf kritisiert worden – auch von der eigenen Partei. Jetzt sagt Habeck: „Brunsbüttel ist raus. Nach diesem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts werden wir dort keine zusätzlichen Castoren lagern.“ Grundsätzlich sei Schleswig-Holstein aber bei sich ändernder Lage weiterhin bereit, Atommüll aufzunehmen.

Die Frage, wo der atomare Müll aus den deutschen Kernkraftwerken landen soll, ist seit Jahrzehnten unbeantwortet. Der damalige Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) hatte deshalb 2013 den Versuch unternommen, mit der Suche nach einem Endlager noch einmal ganz von vorn zu beginnen. Alle Länder waren einverstanden. Sie waren auch einverstanden mit der Forderung Niedersachsens, das Zwischenlager Gorleben ab sofort nicht mehr mit weiterem Müll zu beliefern. Wohin dann aber mit den 26 Castoren, die Deutschland ab 2015 aufnehmen muss?

Altmaier hatte da eine Idee. Im April 2013 schrieb er an Robert Habeck: „Nach Überprüfung der hierfür in Betracht kommenden Standorte komme ich zu dem Ergebnis, dass eine Unterbringung im Standortzwischenlager Brunsbüttel den Vorzug verdient.“ Altmaier begründete das unter anderem damit, dass der Transport „auf kürzestem Weg“ über den Seeweg möglich und der Hafen nur rund zwei Kilometer vom Zwischenlager entfernt sei.

Habeck willigte ein, stellte aber Bedingungen. So sollte Schleswig-Holstein nicht allein die Last tragen. Mindestens zwei weitere Bundesländer, so forderte er, sollten ebenfalls Castoren aufnehmen. Seine Zustimmung erklärte er so: „Ich habe dieses politische Versteckspiel satt. Immer dieses Agieren nach dem Motto ‚Wer sich zuerst bewegt, verliert‘.“ Bis heute haben sich diese beiden anderen Bundesländer nicht gefunden.

Im Juni 2013 machte dann ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig klar, auf welch tönernen Füßen politische Entscheidungen in Sachen Atommülllagerung in Deutschland stehen. Die Richter entzogen dem Zwischenlager die Genehmigung – nach neunjährigem Rechtsstreit. Begründung: Das Bundesamt für Strahlenschutz, das die Genehmigung erteilt hatte, habe nicht ausreichend geprüft, welche Folgen „terroristische Angriffe unter anderem durch den gezielten Absturz eines A380 oder den Einsatz moderner panzerbrechender Waffen für den Kläger hätten“.

In Kiel hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts einen Schock ausgelöst. Detlef Matthießen, Landtagsabgeordneter der Grünen, sprach von einem „GAU für die Atompolitik“. Der CDU-Landtagsabgeordnete Jens-Christian Magnussen forderte Habeck auf, jetzt Alternativen zur Lagerung in Brunsbüttel aufzuzeigen.

Matthießen vermutet, dass die Gerichtsentscheidung auch Konsequenzen für die anderen deutschen Zwischenlager haben wird. „Sie sind alle baugleich“, sagte er. „Die Betriebsgenehmigung müsste dann also für alle Zwischenlager zurückgenommen werden.“

Der Energiewendeminister Robert Habeck sieht das wohl ähnlich. Er forderte den Bund auf, für jeden Standort aktuelle Untersuchungen zum Risiko von Flugzeugabsturz durch Terroreinwirkung in die Wege zu leiten.