SPD, CDU, Grüne und SSW wollen, dass künftig wieder mehr Bürger ihre Stimme abgeben. Der Bund könnte nachziehen

Kiel. Wählen auch am Montag, wählen auch nach 18 Uhr, wählen im Einkaufszentrum: Schleswig-Holsteins Landtag plant Veränderungen, die mit einer gut 100 Jahre geübten Praxis aufräumen. Am Freitag werden die Abgeordneten über einen Antrag abstimmen, mit dem die sinkende Wahlbeteiligung bekämpft werden soll. Bestandteil dieses Antrags ist eine lange Liste von Verbesserungsvorschlägen. Unter anderem soll geprüft werden, „ob die Öffnungszeiten der Wahllokale verlängert und die Anzahl der Wahltage erhöht werden können“. Der Antrag stammt von SPD, CDU, Grünen und SSW. Die Annahme gilt als sicher. Auf Bundesebene könnte es ähnliche Veränderungen geben.

Initiator der kleinen Wahlrevolution ist der SPD-Fraktionsvorsitzende Ralf Stegner. „Die Wahlbeteiligung ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen“, sagt er. „Dagegen müssen wir etwas tun.“ Bei der Kommunalwahl im vergangenen Jahr gingen nur noch 46,7 Prozent aller Wahlberechtigten an die Urne, also nicht einmal die Hälfte. Auch bei Bundestagswahlen sind die Zahlen rückläufig.

Im Vergleich von 15 europäischen Staaten und den USA ist Deutschland nach Portugal das Land mit den höchsten Verlusten bei der Wahlbeteiligung. Von 1983 bis 2013 sank sie um 18,3 Prozentpunkte.

„Wahlkämpfe und Wahlen sind Festtage der Demokratie“, hält Stegner dagegen. Und um diese „Festtage“ stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken, wollen die vier Fraktionen zum Beispiel „Wahllokale aggressiver ausschildern“ und Wahlinformationen auch in den wichtigsten Migrantensprachen vorlegen. Mobile Wahllokale könnten in Zukunft dort stehen, wo viele Menschen unterwegs sind – also zum Beispiel in Einkaufszentren, vor Bahnhöfen oder vor Fußballstadien.

Die wichtigsten Veränderungsvorschläge betreffen aber die Wahlzeit. Die ist seit 1918 nahezu unverändert. Schon in der Weimarer Republik wurde sonntags oder feiertags gewählt, und meist zwischen 8 und 18 Uhr. Die Bundesrepublik Deutschland übernahm 1949 diese Regelung.

Vielleicht gehört sie bald der Vergangenheit an. „Das gesellschaftliche Leben hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert“, sagt Ralf Stegner. „Die Arbeitszeiten sind andere, die Ladenöffnungszeiten ebenso.“ Darauf müsse man reagieren. Der SPD-Bundesvorstand hat mittlerweile beschlossen, die Stegner-Initiative aufzugreifen und im Bund um Mehrheiten für die Reform der Stimmabgabe zu werben, die in Schleswig-Holstein ihren Anfang nehmen könnte.