Neuer Betreiber des Lübeck Airports beendet Vertrag mit dem Aero Club. Vermittlungsversuch von Bürgermeister Bernd Saxe gescheitert.

Lübeck-Blankensee. Sie sind wütend und enttäuscht, die Mitglieder des Aero Clubs von Lübeck. Nach mehr als 60 Vereinsjahren müssen sie raus aus ihren Gebäuden und runter vom Gelände des Flughafens in Lübeck-Blankensee. Dort, wo sie gemeinsam fliegen und fachsimpeln und sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte zum größten und sportlich erfolgreichsten Segelflugverein Schleswig-Holsteins entwickelt haben, ist anscheinend kein Platz mehr für sie.

Clubmitglieder sorgen sich um die Zukunft ihres erfolgreichen Vereins

Anfang November teilte Flughafenchef Markus Matthießen (Geschäftsführer der PuRen Germany GmbH) dem Aero-Club-Vorstand überraschend mit, dass die Nutzungsvereinbarung nicht verlängert wird. Diese läuft am 31. Dezember 2014 aus. „Wir werden im nächsten Jahr heimatlos sein“, sagt Winfried Schöch. Der Pressesprecher des Vereins teilte mit seinen rund 150 Clubkameraden bis zuletzt die Hoffnung, dass die Übernahme des Lübeck Airports durch das chinesische Unternehmen PuRen im August dieses Jahres keine negativen Auswirkungen auf den Aero Club haben würde. „Es wurde uns von allen politischen Parteien zugesichert, dass bei den Verhandlungen auf unsere Interessen Rücksicht genommen wird. Darauf haben wir uns verlassen.“ Laut Schöch sagte Matthießen selbst noch vor einigen Wochen, dass er sich „keinen Grund vorstellen könne, warum in Lübeck kein Segelflug mehr stattfinden soll.“

Umso größer war der Schock, als der Flughafenchef nun doch das endgültige Aus verkündete. Auf dem bisherigen Vereinsgelände solle gebaut werden. Auf Anfrage des Hamburger Abendblatts gibt Matthießen „derzeit keine Auskünfte über die konkrete Neugestaltung des Geländes“. Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe wollte in einem Gespräch mit den Verantwortlichen eine Verlängerung des Segelflugbetriebs erwirken – ohne Erfolg. Spätestens im März 2015, nachdem die Flugzeuge für die kommende Saison fit gemacht wurden, muss der Aero Club umziehen. Wenigstens diese Verlängerung konnten die Vereinsmitglieder aushandeln.

„Wir stören hier doch niemanden“, sagt Kerstin Graf, Vorstandsmitglied des Aero Clubs und seit 15 Jahren begeisterte Segelfliegerin. Sie findet es deshalb unsinnig, dass der Verein so plötzlich wegsoll. „Hier wird in den nächsten Monaten sowieso nichts passieren. Das hat uns die Vergangenheit gelehrt.“ Die Lehrerin mache sich vor allem Gedanken um die direkten Auswirkungen auf die Vereinsgemeinschaft. „Der Rauswurf kostet uns bestimmt viele Mitglieder. Die meisten kommen aus Lübeck oder der näheren Umgebung. Eine längere Anfahrt würden sicher nicht alle in Kauf nehmen.“ Zudem stehe das kommende Jahr nun im Zeichen von Neuorganisation und Bau eines neuen Vereinsgebäudes. Darauf habe nicht jeder Pilot Lust, und manche hätten keine Zeit. Trotzdem spüre Graf einen gewissen „Pioniergeist“, der sich in den vergangenen Tagen immer häufiger bemerkbar mache.

Vor allem der „harte Kern“ des Vereins sei noch enger zusammengerückt. „Wir Segelflieger können uns aufeinander verlassen. In der Luft ist das sogar lebenswichtig. Und spätestens jetzt wird ganz klar, dass wir auch am Boden ein gutes Team sind.“

Das kann Nga Ly nur bestätigen. Die Elektronikerin aus Bad Oldesloe im Kreis Stormarn ist zwar erst seit drei Jahren im Verein und noch Flugschülerin. Trotzdem stehe für die gebürtige Vietnamesin fest, dass sie dem Club treu bleiben wird. „Egal, was noch passiert, ich werde so gut ich kann mithelfen, den Verein am Leben zu erhalten.“ Nga Ly wolle nie mehr auf die Glückshormone verzichten, die beim Segelfliegen „tausendfach ausgeschüttet werden“, wie sie sagt. Außerdem schätze sie die gute Mischung aus allen Alters- und Berufsgruppen, die sich in dem Lübecker Verein zusammenfindet.

Hans-Dieter Meyer ist Mitglied Nr. 11 und seit 56 Jahren mit von der Partie

Besonders bitter sei der Rauswurf für die älteren Mitglieder, weiß Winfried Schöch. „Die haben hier alles mit eigenen Händen aufgebaut.“ Das Clubheim, die Werkstatt, die große Halle, in der mittlerweile acht hochwertige Segelflugzeuge und zwei Motorsegler untergebracht sind. „Hier steckt viel Schweiß, Zeit und Arbeit drin“, sagt Hans-Dieter Meyer. Er ist „Mitglied Nr. 11“. Vor 56 Jahren war der heute 76-Jährige in den Aero Club eingetreten. Er erinnere sich vor allem gern an die gemeinsamen Langstreckenflüge mit seinem berühmten Vereinskameraden, dem Rekordsegelflieger Hans-Werner Große. „Diese Erlebnisse kann mir keiner mehr nehmen. Aber das ist Vergangenheit. Jetzt wünsche ich mir, dass es auch eine Zukunft für den Aero Club von Lübeck gibt.“

Wo genau diese Zukunft stattfinden wird, ist noch ungewiss. Etwa 15 Gelände haben die Vorstandsmitglieder bisher begutachtet. Doch keines erfülle zu 100 Prozent die Kriterien, die für einen reibungslosen Segelflugbetrieb notwendig seien. Dazu gehört unter anderem eine etwa 100 Meter breite und 1000 Meter lange Startbahn, die aus möglichst sandigem, aber festem Boden besteht. Weder Hochspannungsleitungen noch hohe Knickbepflanzungen dürfen Starts und Landungen behindern. Ein Bauernhof oder eine Ortschaft in unmittelbarer Nähe wäre für die Erschließung von Strom und Wasser vorteilhaft. Eine gute Anbindung an Bus und Bahn käme außerdem den vielen jugendlichen Piloten entgegen. „Wir würden aber auch Fahrgemeinschaften bilden, daran soll es nicht scheitern“, sagt Segelflieger Hannes Wagner.

Dass sie „ihren“ Flugplatz verlassen müssen, damit haben sich die Aero-Club-Mitglieder fast schon abgefunden. Doch dass sie derart „vom Hof gejagt werden“, können sie nach wie vor nicht akzeptieren. „Wenn wir wenigstens noch eine weitere Fristverlängerung bekommen würden, um hier mit aller Sorgfalt zusammenpacken zu können“, sagt Winfried Schöch. „Das wäre wenigstens ein kleiner Trost.“

Wer ein geeignetes Gelände kennt und dem Club helfen möchte, wendet sich an folgende Adresse: Aero Club von Lübeck e.V., Winfried Schöch, Telefon 0176/96 14 59 01 oder Florian Mösch, Telefon 0160/94 73 81 78. Mail: info@acvl.de