Weil der A-7-Ausbau in den kommenden zehn Jahren die Anreise behindert, setzt der Tourismus auf mehr Intercity-Züge und Flugverbindungen.

Sylt. Günter Schroeder wiegelt ein wenig ab. Er wolle doch lediglich zum Nachdenken anregen und einen Anstoß geben, sagt der Geschäftsführer der Sylt Tourismus Zentrale GmbH. Ein vor einigen Tagen im „Sylter Spiegel“ erschienener Bericht hatte für Wirbel auf der Insel gesorgt. Schroeder weiß das und bleibt doch konsequent: „Wir müssen unsere Feriengäste sensibilisieren und ihnen Alternativen aufzeigen.“

Worum geht es? Der Tourismusexperte spricht von einem Problem, das gut 225 Kilometer von Sylt entfernt liegt und auf den ersten Blick mit der beliebten Urlaubsinsel nicht viel zu tun hat: die Erneuerung der Autobahn 7 vom nördlichen Ausgang des Elbtunnels in Hamburg bis zum gut 85 Kilometer entfernten Bordesholmer Kreuz in Schleswig-Holstein.

Die Bauarbeiten werden die Autofahrer – und damit auch viele Sylt-Urlauber aus dem Süden – in den kommenden zehn Jahren begleiten. Seit Mai läuft die Sanierung der Langenfelder Brücke im Hamburger Stadtteil Lokstedt – die A7 wird hier über 17 Bahngleise geführt. Kilometerlange Verkehrsstaus gehören inzwischen zur Tagesordnung. Es dürfte aber – vor allem in Ferienzeiten – noch schlimmer kommen, wenn im Herbst der Bau des Lärmschutztunnels in Schnelsen und im kommenden Frühjahr die Erweiterung der A7 von vier auf sechs Spuren im Kreis Segeberg starten.

Neben der Erneuerung der Langenfelder Brücke sollen auf Hamburger Gebiet insgesamt drei Lärmschutztunnel – in Schnelsen, Stellingen und Altona – errichtet werden. Bis zum Kreuz Nordwest wird die Zahl der Fahrspuren von sechs auf acht erhöht. Hinter dem Kreuz Nordwest soll die Autobahn künftig über sechs statt bisher vier Spuren führen. Brücken und Abfahrten müssen dafür angepasst, Lärmschutzwände hochgezogen werden.

Gut die Hälfte der Sylt-Gäste kämen aus den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen, sagt Schroeder. Viele von ihnen, der Tourismusexperte geht von 85 Prozent aus, reisten mit dem Auto an. Für diese Gäste würden die Baustellen hinter dem Hamburger Elbtunnel zu einem ärgerlichen Hindernis. „Bis zu fünf Stunden sind die Leute länger unterwegs“, schätzt Schroeder.

Einen Vorgeschmack auf das, was Sylt-Urlaubern drohe, habe man im Herbst vergangenen Jahres bekommen, als die Rader Hochbrücke – sie führt die A7 über den Nord-Ostsee-Kanal – instand gesetzt worden sei, sagt Schroeder. „Ein Drittel der Gäste, die normalerweise gegen 15 Uhr anreisten, kamen erst gegen 18 Uhr oder sogar noch später an.“

Der Geschäftsführer fürchtet nun, dass Urlauber wegen der Verkehrsbehinderungen wegbleiben und sich andere Erholungsziele suchen könnten. „Allein aus Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen verbrachten im Jahr 2012 rund 460.000 Menschen ihren Urlaub auf Sylt.“ Blieben nur zehn Prozent von ihnen weg, bedeutete das einen erheblichen Einbruch bei den Gästezahlen.

Schroeder plädiert dafür, den Urlaubern bereits jetzt alternative Möglichkeiten der Anreise aufzuzeigen. Da sei zunächst die Deutsche Bahn. „Täglich fahren vier Intercity-Züge aus dem Ruhrgebiet nach Sylt.“ Man könne mit der Bahn bequem den Strand erreichen, sagt der Tourismusexperte. Der Bahnhof liegt beispielsweise in Westerland keine zehn Minuten von der Promenade und vom Strand entfernt. Schroeder fügt hinzu: „Wenn die Bauarbeiten auf der A7 erst einmal richtig in Gang gekommen sind, wird die Anreise mit der Bahn weniger Zeit benötigen als die mit dem Auto.“

Daher soll das Bahnangebot bekannter gemacht werden. „Der gemeinsam mit den Sylt-Touristikern aufgelegte Deutsche-Bahn-Flyer 2014 ist zurzeit in Produktion und wird demnächst bundesweit in den DB Reisezentren für Bahnanreise nach Sylt werben“, sagt eine Bahnsprecherin auf Anfrage. Schroeder spricht von bis zu 70.000 Flyern, die gedruckt werden sollen. Die Bahnsprecherin verweist zudem darauf, dass sowohl in der Schweiz und in Österreich als auch auf großen Touristikmessen für die bequeme Bahnreise in den Norden geworben werde.

Der Hoffnung Schroeders, vermehrt Autoreisezüge einzusetzen, die bereits südlich der Elbe starten, erteilt die Bahn indes eine Absage. „Wegen zu geringer Nachfragen wurden die Autozüge aus Süddeutschland nach Sylt bereits vor Jahren eingestellt“, sagte die Sprecherin. „Eine neue Belebung dieser Autozugverbindungen ist wegen fehlender Ressourcen nicht möglich.“ Schroeder sieht das naturgemäß etwas anders. Angesichts der Konkurrenz von Fernbussen müsse der Deutschen Bahn doch daran gelegen sein, neue Geschäftsfelder zu erschließen, sagt er. Der Tourismusexperte wünscht sich einen weiteren Intercity am Tag und hofft, dass die Züge schneller fahren, um ihre Fahrzeit zu reduzieren.

Allerdings ruhen Schroeders Hoffnungen nicht allein auf der Bahn. Angesichts verstopfter Autobahnen und deutlich gesunkener Preise für Tickets ist in den vergangenen Jahren die Anreise mit dem Flugzeug konkurrenzfähig geworden. Allein die Fluggesellschaft Air Berlin biete im Sommer jede Woche 50 Hin- und Rückflüge von den Airports Düsseldorf, Köln, Stuttgart, München, Berlin-Tegel und Zürich nach Sylt an, sagt Unternehmenssprecher Mathias Radowski und fügt hinzu: „Die Sylt-Verbindungen sind vor allem im Sommer sehr gefragt.“

Zwar kann Radowski zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sagen, ob aufgrund der langjährigen A-7-Baustellen im Sommer 2015 zusätzliche Flüge hinzukommen werden. Allerdings passe die Airline ihren Flugplan und die Zahl der Flüge regelmäßig der Nachfrage an. „Bei großen Zuwächsen ist ein Aufstocken grundsätzlich möglich“, sagt Radowski. So habe Air Berlin in diesem Sommer beispielsweise einen zweiten Flug pro Woche von Zürich nach Sylt aufgelegt.

Noch sind die Hotels auf Sylt gut ausgelastet. Das weiß auch Schroeder. Aber er analysiert seit mehr als 20 Jahren die Statistiken und sorgt sich. „Wir wollen keine Panik verbreiten, aber wir wollen die Leute langsam vorbereiten.“