Hamburger Unternehmer züchtet Pferde auf dem Grönwohldhof bei Trittau. Seine Verlobte reitet beim Deutschen Derby in Klein Flottbek mit

Grönwohld. Idyllischer kann Norddeutschland nicht sein: Satte Wiesen soweit das Auge reicht, ein See mit einem hölzernen Wasserrad, üppig blühende Rhododendronbüsche, exzellent gezogene Pferde auf der Weide. Willkommen auf dem Grönwohldhof in der Nähe von Trittau im Kreis Stormarn. Es ist eine erstklassige Adresse, eine Heimat der Holsteiner. Diese kraftvolle Pferderasse spielt beim Deutschen Springderby traditionell eine wichtige Rolle. Am kommenden Sonntag wird der Wettstreit um das Blaue Band – über Hindernisse wie den Großen Wall oder Pulvermanns Grab – zum 85. Mal entschieden.

Auf der Koppel neben dem Herrenhaus grasen neun Mutterstuten. Die im März geborenen Fohlen weichen ihnen nicht von der Seite. Ganz schön warm ist es in der Mittagszeit. Ein Segen, dass uralte, knorrige Eichen Schatten spenden. Ein Fohlen sticht der Hafer: Es wirft sich auf den Boden, wälzt sich hin und her, streckt alle Viere in die Luft. Die Mutter nebenan wiehert.

Der Mann mit dem blauweiß gestreiften Oberhemd am Holzgatter kann sich daran nicht sattsehen. „Ein Traum ging in Erfüllung“, sagt Manfred von Allwörden. „Ich hege nach wie vor Dankbarkeit.“ Er meint den Kauf des Grönwohldhofes vor zweieinhalb Jahren. Auf dem 200 Hektar umfassenden Gut hatte der 1990 verstorbene Berliner Unternehmer und Pferdeliebhaber Otto Schulte-Frohlinde 21 Jahre zuvor eine erfolgreiche Zucht begründet – mit einem Ruf wie Donnerhall. Grund war der gleichnamige Oldenburger Dressurhengst. Aktuell sind allein in Deutschland mehr als 250 Nachkommen Donnerhalls im Reitsport aktiv.

Schulte-Frohlindes Sohn Henrik mangelte es an Fortune. Im August 2011 schloss er den Betrieb. Weit und breit war kein Nachfolger in Sicht, der Vermögen und Passion für eine Zuchtstätte dieser Größenordnung aufbringen wollte oder konnte.

Bis überraschend die Stunde eines Unternehmers schlug, der zwar kleine, indes ungemein viele Brötchen backt: Manfred von Allwörden, dessen Ururgroßvater Heinrich anno 1906 am Burggraben in Sterley bei Mölln mit einer eigenen Bäckerei und Konditorei eine familiäre Erfolgsgeschichte startete. In diesem Fall hat Handwerk tatsächlich goldenen Boden: 1991 übernahm Manfred gemeinsam mit seinem Bruder Ralf die Geschäftsführung einer florierenden Firma, die heute gut 200 Filialen im Norden betreibt, davon rund die Hälfte in Hamburg.

Damals wie heute gehört das Unternehmen der Familie, deren Markenzeichen Herzblut ist. Manfreds Mutter Christa von Allwörden sieht auch mit 78 Jahren regelmäßig nach dem Rechten. Früher stand sie tagtäglich ab 3 Uhr früh in der Backstube. Ihr Sohn Manfred folgte dem Vorbild: Er lernte bei Niederegger in Lübeck Bäcker und Konditor, arbeitete später als Meister zu nächtlicher Stunde an den Öfen und fuhr tagsüber übers Land, um Filialen zu beliefern. Als ein Brand im August 2000 einen erheblichen Teil der Firma zerstörte, darunter die Produktionsstätte in Mölln, packten die von Allwördens und ihre Mitarbeiter an. Mit vereinten Kräften glückte der Neuanfang.

„So, jetzt raus zu den Pferden“, sagt Manfred von Allwörden nach einem Glas Wasser im Casino. Das Areal ist so groß, dass diese Tour nur mit dem Auto geht. Dabei ist auch seine Lebensgefährtin Mathilda Karlsson.

Sie kam auf Sri Lanka zur Welt, wurde mit drei Monaten von einem schwedischen Ehepaar adoptiert. Beide lernten sich bei einer Pferdeauktion in Neumünster kennen und lieben. Seit gut einem Jahrzehnt sind der 53-Jährige und die 24 Jahre jüngere Berufsreiterin ein längst verlobtes Paar. Hochzeit keinesfalls ausgeschlossen.

Die Tour durchs Gestüt lässt nicht nur die Herzen von Pferdekennern höherschlagen: Ställe, Boxen, 100 Jahre alte, hübsch restaurierte Arbeitshäuser, Scheunen und die große Reithalle sind bestens in Schuss.

Das Heu kommt von den Wiesen nebenan. 17 Angestellte, darunter Gestütsleiter Michael Möller, der für die Ausbildung der Stuten und Hengste verantwortliche Ivan Ivanov, ein Tierarzt und sieben Bereiter, kümmern sich um fast 150 Pferde. „Alles beste Holsteiner Linie“, heißt es in Expertenkreisen. In diesem Frühjahr wurden auf dem Hof bisher schon 50 Fohlen geboren; 30 weitere werden erwartet.

Große Tafeln mit Siegesplaketten, Schärpen und anderen Insignien züchterischer Triumphe im Stallbereich dokumentieren die wirtschaftliche Seite der Idylle. Einer wie von Allwörden betreibt keine Zucht, um rote Zahlen zu schreiben. Motto: Auch ein Hobby sollte sich rechnen. Nach wie vor fährt der Gestütsbesitzer jeden Morgen von Grönwohld in die Firma nach Mölln.

Unter der finanziellen Prämisse passte ein Triumph aus dem Vorjahr prima ins Kalkül: Bei der Körung in Neumünster gewann Casaltino für Manfred von Allwörden als bester Hengst des Jahrgangs die Krone der Zucht. Das bringt Ehre, die sich zukünftig auszahlen wird. Casaltino wurde von einem polnischen Zuchtstall ersteigert. Kaufpreis: 200.000 Euro. Zwar zählen auch namhafte Käufer zu den Kunden auf dem Grönwohldhof, doch geht das Gros der Pferde an ganz normale Reitersleut’ in aller Welt.

Über die besonders gut betuchte Klientel spricht von Allwörden nicht gern. Bescheidenheit und ein bodenständiges Naturell sind Basis gesunden Erfolgs. Das ist im Kreis Stormarn und im Herzogtum Lauenburg nicht anders als in Hamburg. Von Klein Flottbek ganz zu schweigen. Im Derbypark wird Manfred von Allwörden Fachgespräche führen – oder von der Tribüne aus die Springprüfungen auf dem Parcours beobachten. Dort tritt seine Verlobte Mathilda in Aktion. Sie ist Mitglied des gastgebenden Norddeutschen und Flottbeker Reitervereins und wagt beim Deutschen Derby erstmals große Sprünge. Schafft sie mit ihrem 13-jährigen Wallach Lancetti die Qualifikation für das Finale am Sonntag, wäre schon das ein Sieg. Auf dem Grönwohldhof kennt man sich aus damit.