Maike Bielfeldt ist die neue Chefin der Industrie- und Handelskammer in Stade – als einzige Frau in dieser Position im Norden. Ihr Erfolgsrezept: „Fleiß, Zuverlässigkeit und Pflichtbewusstsein“.

Stade. Sie spricht vier Sprachen, war erfolgreich selbstständig, ist Mutter eines siebenjährigen Sohnes und hat bereits eine erste Karriere bei den Industrie- und Handelskammern (IHK) hinter sich. Nun ist sie an der Spitze: Maike Bielfeldt, 43, ist seit Anfang April die erste Frau an der Spitze der IHK Stade und damit die Chefin von 90 Mitarbeitern, die auch in Büros in Verden und Cuxhaven arbeiten. Die Volkswirtin ist damit die einzige Frau in dieser Position in Niedersachsen und im Norden. Nur noch zwei weitere gibt es bundesweit unter den 80 Kammerchefs. Eine im Sauerland, eine in Heilbronn. Lübecks IHK-Präses Friederike Kühn, 2013 gewählt, ist ehrenamtlich tätig.

Bielfeldt habe sich ihre Position erarbeitet, sagt sie, und setzt sich hinter ihren Schreibtisch in ihrem neu eingeräumten, hellen Büro. „Fleiß, Zuverlässigkeit und Pflichtbewusstsein“ seien der Schlüssel dafür. Eigenschaften, die unabhängig vom Geschlecht zählen. Immerhin wollten mehr als 70 Bewerber den Job in dem im markanten Blau gestrichenen Haus nahe dem Stader Bahnhof. In die finale Auswahl kamen sechs, Bielfeldt als einzige Frau. Möglich, dass ihr entspanntes Selbstbewusstsein ausschlaggebend war, ihre Überzeugung, fast alles möglich machen zu können. Die Entscheidung fällte das siebenköpfige IHK-Präsidium – alles Männer. „Ja, ich bin eine Macherin“, sagt die Hauptgeschäftsführerin.

Im Landkreis Stade, in Steinkirchen, wo ihre Stiefmutter einen Hof besitzt, beginnt ihre Geschichte. Dort verdient sie sich mit Kirschenpflücken ihr erstes Taschengeld, fährt Trecker und turnt auf Paletten im Kühlhaus herum. Das Abitur besteht sie in Flottbek, studiert danach Volkswirtschaft in Hamburg. Doch noch vor dem Abschluss organisiert sie einen einjährigen Aufenthalt in Valencia, um etwas Neues zu sehen. Spanisch lernt sie vor Ort in Nachmittagskursen, teilweise mit dem Wörterbuch auf den Knien vor dem Fernseher. „Nach vier Monaten konnte ich den Kursen an der Uni folgen.“

Nach der Rückkehr nach Hamburg arbeitet sie zwar als Werksstudentin für den NDR und jobbt bei einer PR-Agentur. Aber ihr Weg führt zur IHK: Die bietet Anfang 1997 ein Traineeprogramm, das alle drei Monate einen Wechsel an einen anderen Ort vorsieht. So kommt sie in der Auslandshandelskammer bis nach Sydney und wird persönliche Referentin des damaligen bundesweiten Hauptgeschäftsführers Franz Schoser. Er wird zu ihrem Vorbild und kommt Ende März im Gegenzug zu ihrer Amtseinführung nach Stade. Auch mit 80 lässt er sich die Anfahrt aus Köln nicht nehmen.

Zuvor hatte Bielfeldt dabei geholfen, den Kammern den Weg in die digitale Zukunft zu ebnen. Dazu gehörte die Einführung eines Systems für die Eingabe von Berufs- und Ausbildungsverträgen und elektronischen Ursprungszeugnissen in den Computer sowie der Internetauftritt der Kammern. Bielfeldt agiert in den einzelnen Gesellschaften jeweils als Geschäftsführerin. Trotzdem lässt sie sich Ende 2011 beurlauben, um nach Wien zu gehen. Dort ist sie an der Seite ihres damaligen Lebensgefährten zunächst selbstständig, übernimmt dann Prokura bei der Rechtsdatenbank. Die stellt Fachdaten für Notare, Steuerberater und Rechtsanwälte bereit und schwächelt. Bielfeldt schafft die Ertragswende. „Darauf“, sagt sie, „bin ich heute noch stolz.“

Ein persönlicher Rückschlag kommt, als sie sich kurz nach der Geburt ihres Sohnes von ihrem Partner trennt und zurück nach Hamburg geht. Doch auch dort dauert es nicht lange, bis sie als Geschäftsführerin zur Stiftung Elbphilharmonie kommt, die bis heute mehr als 50 Millionen Euro für das neue Wahrzeichen Hamburgs bereitgestellt hat. Dann geht es zur IHK Nord, dem Dachverband von 13 Kammern, und schließlich nach Stade. Zwar ist die Zeit für ihren Sohn begrenzt. „Aber ich versuche stets, mit ihm die Welt neu zu entdecken“, sagt Bielfeldt. Jeden Morgen bringt sie ihn in Blankenese zu Fuß zur Schule und freut sich schon darauf, dass alles nach dem Umzug in den Sommerferien einfacher wird. Denn in Stade hat die neue IHK-Chefin inzwischen ein Haus erworben.

Zuständig sein wird sie auch für die Landkreise Cuxhaven, Rotenburg, Osterholz-Scharmbeck und Verden. Themen gibt es genug. Bielfeldt geht es darum, die unterdurchschnittliche Erwerbstätigkeit von Frauen zu steigern, ältere Mitarbeiter länger in den Betrieben zu halten und Jugendlichen Ausbildungs- und später Arbeitsplätze in der Region bieten zu können. „Nur so können unsere 48.000 Betriebe Fachkräfte bekommen und halten“, sagt sie. Nötig sei auch der Ausbau der viel befahrenen Bundesstraße 73 sowie der Autobahnen 20 und 26. „Landstraßen können die Autobahnen nicht ersetzen. Wir brauchen zudem die Y-Trasse, um die Häfen Bremen und Hamburg besser anzubinden.“ Konflikte in der Kammer, wie sie derzeit durch die Aktivitäten der Initiative „Die Kammer sind WIR“ in Hamburg auftreten, erwartet Bielfeldt nicht. Zwar steht für den Herbst turnusmäßig die Neuwahl der Vollversammlung mit 69 Mitgliedern an. „Aber hier wird schon seit Jahren eng zusammengearbeitet. Jedes unserer Mitglieder kann seine Ideen einbringen,“ so die neue Chefin.

Bielfeldt steht jetzt auf dem Parkplatz vor der IHK-Zentrale. Von dort soll es künftig auch schneller zu ihrer neunjährigen Stute Delvina gehen. Das Dressurpferd steht bisher noch in Sülldorf, soll aber nun in einen Stall in Stade oder in der Umgebung untergebracht werden. 40 Jahre treibt die Wirtschaftswissenschaftlerin ihren Sport, ist Turniere geritten. Seit ihrem 29. Lebensjahr hat sie „immer, immer“ ein Pferd besessen.

Ohne Frage: Bielfeldt richtet sich auf längeres Bleiben ein. Sie fühlt sich gut aufgenommen. Die Art der Menschen ist ihr vertraut, ein bisschen ist es wie zurückkommen, zu ihren Tagen auf dem Hof in Steinkirchen. „Meine erste Zeit hier war vielversprechend“, sagt sie beim Fototermin. In jedem Fall ist sie nun in den Fußstapfen ihres Großvaters unterwegs: Hans Bielfeldt war von 1953 bis 1975 Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg.