Schleswig-Holsteins neue Tourismusstrategie: Das Land will Städtereisen und Naturerlebnisse besser vermarkten

Kiel. Die „anspruchsvollen Genießer“ haben ausgedient, stattdessen will Schleswig-Holstein jetzt verstärkt um die „Entschleuniger“ werben: Das ist ein Punkt der neuen Tourismusstrategie, die Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) am Montag der Öffentlichkeit vorstellte. Meyer hat sich durchaus anspruchsvolle Ziele gesetzt. Bis 2025 soll die Zahl der Übernachtungen von 24,8 Millionen (2013) auf 30 Millionen steigen. Der Bruttoumsatz in der Tourismusbranche soll um 30 Prozent wachsen. Im Jahr 2012 lag dieser Umsatz bei 6,9 Milliarden Euro.

Der Minister, der lange Zeit in Mecklenburg-Vorpommern tätig war, will verhindern, dass Schleswig-Holstein im Vergleich zu seinen Konkurrenten im Norden noch stärker in Rückstand gerät. „Zwischen 2006 und 2011 ist die Zahl der Übernachtungen in Schleswig-Holstein um 6,9 Prozent gestiegen, aber in Mecklenburg-Vorpommern und in Niedersachsen war der Zuwachs doppelt so groß“, sagte er. 2012 gab es in Mecklenburg-Vorpommern 27,9 Millionen Übernachtungen, in Niedersachsen sogar 40 Millionen.

Um sein Ziel zu erreichen, will Meyer die Marketingstrukturen verändern, andere Zielgruppen erreichen sowie die Qualität und die Quantität der Angebote verbessern. Schleswig-Holstein liegt im Bundesländer-Ranking bei der Gästezufriedenheit von Urlaubsreisenden nur auf Rang sieben. „In vielen Unterkünften dominiert immer noch der Charme der 70er-Jahre“, sagt Meyer. Der Tourismusexperte Mathias Feige von der Berliner Unternehmensberatung „dwif consulting“, der an der neuen Strategie mitgearbeitet hat, hält den Zubau von rund 15.000 Betten bis 2025 für erforderlich. Derzeit kann Schleswig-Holstein 175.765 Gästebetten anbieten.

Ob diese neuen Hotels und Ferienhäuser tatsächlich gebaut werden, ist unklar. Schließlich kann Meyer das nicht anordnen. Aber er kann zumindest versuchen, mehr Gäste ins Land zu locken. Dazu dienen neue Zielgruppen, die künftig im Fokus der Werbung stehen sollen. Sie sind gemeinsam mit der Fachhochschule Westküste erarbeitet worden. Am Ende steht auch ein Bruch mit der Vergangenheit.

Das 2006 von der Unternehmensberatung Roland Berger erarbeitete Handlungskonzept wird nun durch die „Tourismusstrategie Schleswig-Holstein 2025“ ersetzt. Statt drei gibt es jetzt fünf Zielgruppen. Früher wurde um anspruchsvolle Genießer, Familien mit kleinen Kindern und um „Best Ager“ geworben. Jetzt stehen Natururlauber, Entschleuniger, die Ruhe suchen, Neugierige, die Land und Leute erleben wollen, und Städtereisende im Fokus.

Die Tourismusagentur Schleswig-Holstein (TASH) soll bei diesen Werbemaßnahmen künftig eine wichtigere Rolle spielen. Meyer ließ keinen Zweifel daran, dass er mit der bisherigen Marketingstruktur im Land nicht einverstanden ist. „Zu viele Ebenen“ seien daran beteiligt, sagte er, das erhöhe die Gefahr der Verzettelung. Neben der TASH als Dachorganisation gibt es derzeit fünf regionale Tourismusmarketingorganisationen (zum Beispiel den Ostsee-Holstein-Tourismus e. V.), 21 lokale Organisationen und einige Orte, die eigenständig werben. So eigenständig, dass die TASH die Frage nicht beantworten kann, wie viel Geld die Organisationen im Land pro Jahr für Werbung ausgeben.

Die TASH selbst gibt dafür etwa eine Million Euro aus. Da ist es vielleicht ganz gut, dass das Land seinen Einfluss in der Tourismusagentur deutlich verstärken will. Derzeit finanziert Schleswig-Holstein die Agentur mit 1,53 Millionen Euro, gehört aber nicht zu den Gesellschaftern der GmbH. Meyer: „Wir streben an, 51 Prozent plus x zu erwerben. Zuvor sind aber noch ein paar rechtliche Fragen zu klären.“ An den Strukturen müsse dringend etwas geändert werden. „Wenn man von draußen draufschaut, sind sie sehr undurchsichtig“, sagte Meyer.

Der Minister schließt auch nicht aus, dass das Land in Zukunft mehr Geld für Marketing ausgeben wird. „1,53 Millionen Euro sind wirklich die Untergrenze“, sagte er. Für die TASH will Meyer auf jeden Fall ein neues Unternehmenskonzept erarbeiten. Die Agentur soll sich auf ihre Kernaufgabe als Marketingorganisation konzentrieren und die Umsetzung der neuen Dachmarke „Der echte Norden“ übernehmen. „Bei der Internationalen Tourismusmesse, die morgen in Berlin beginnt, werden wir uns erstmals unter dieser Marke präsentieren“, sagte TASH-Geschäftsführer Christian Schmidt.

Auf der Internetseite der Messe liest sich das etwas anders. Das Ausstellerprofil der TASH beginnt mit den Worten „Schleswig-Holstein – Urlaub, so weit das Auge reicht!“ So weit das Auge reicht ist dort vom „echten Norden“ nicht die Rede. Aber bis morgen bleibt ja noch ein bisschen Zeit.