Geschäftsleute an der Ostsee sind empört, weil Läden an Sonntagen im Winter nicht mehr öffnen dürfen. Dadurch bleiben Kunden aus. Die Regelung ist ein Kompromiss mit Kirchen und Gewerkschaft.

Lübeck/Rostock. Norbert Herzberg sieht seine schlimmsten Befürchtungen betätigt. Die neue Bäderregelung habe ihn seit Beginn des Jahres bereits 20 bis 25 Prozent seines Umsatzes gekostet, klagt der Inhaber eines Lebensmittelmarkts in Timmendorfer Strand (Kreis Ostholstein). „Zwei Vollzeitkräfte habe ich bereits entlassen müssen“, sagt er. Aus Protest hat er ein Plakat mit einem Konterfei von Papst Franziskus in seinem Schaufenster ausgehängt. Denn er und auch viele seiner Kollegen sehen in den Kirchen die Schuldigen dafür, dass es während der Wintermonate in den Ferienorten an Nord- und Ostsee mit dem sonntäglichen Einkauf vorbei ist.

„Ich habe nichts gegen Papst Franziskus – ganz im Gegenteil“, stellt Herzberg klar. „Er geht auf die Menschen zu, daran sollten sich unsere Kirchenvertreter ein Beispiel nehmen“, sagt er. „Mit Verzögerung werden auch Restaurants und Cafés unter der neuen Regelung zu leiden haben“, sagt Herzberg. „Was sollen die Hamburger in Timmendorfer Strand, wenn die Läden zu sind? Teuer essen und trinken können sie auch zu Hause“, sagt er voller Sarkasmus. Auch in Grömitz klagen Händler über Umsatzeinbußen. Eine Reihe von Läden bleibe jetzt die ganze Woche über geschlossen, berichtet Tourismusdirektor Olaf Dose-Miekley. „Nur von den Einwohnern können die nicht leben“, sagt er. Das schade dem mühsam aufgebauten Image der Ostseebäder an der Lübecker Bucht, aber damit müsse man jetzt wohl oder übel leben, meint er.

Stein des Anstoßes ist der Kompromiss, auf den sich Wirtschaftsministerium, Gewerkschaften, Handel, Tourismusbranche, Verbände und Kirchen im Streit um die Bäderregelung vor rund einem Jahr geeinigt hatten. Danach dürfen Geschäfte in Kur- und Erholungsorten nur noch zwischen dem 15.März und dem 31.Oktober sonntags für sechs Stunden statt bislang acht Stunden öffnen. Außerdem ist der Sonntagsverkauf zwischen 17.Dezember und 8.Januar erlaubt. Zuvor konnten Läden sonntags in mehr als 90 Orten durchgehend vom 15.Dezember bis zum 31.Oktober ihre Waren anbieten.

„Ich habe Ende 2013 vier Saisonkräfte entlassen, die ich erst zum 1.April wieder einstellen werde“, sagt Heinz Meyer, der in Timmendorfer Strand sechs Bekleidungsgeschäfte betreibt. Auch anderen Geschäftsleuten im Ort gehe es ähnlich, konkrete Zahlen zu Entlassungen könne er allerdings noch nicht nennen. „Wir werden im März eine erste Bilanz über Arbeitsplatzverluste und Umsatzrückgänge ziehen und mit dem Ergebnis noch mal auf die Kirchen zugehen“, sagt Meyer, der zugleich Vorsitzender der Aktivgruppe für Handel und Gewerbe des Ortes ist und aus Protest eine Plakataktion initiiert hat.

Der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbands Nord, Dierk Böckenholt, kann den Unmut der Kaufleute verstehen, sieht aber kaum Chancen auf eine Änderung. „Die jetzige Regelung ist ja schon ein Kompromiss, Kirchen und Gewerkschaften wollten eine noch strengere Regelung. Schließlich ist der Schutz des Sonntags im Grundgesetz verankert und deshalb ein hohes Rechtsgut“, sagt der Jurist Böckenholt.

Die Einzelhändler in den Küstenorten Mecklenburg-Vorpommerns dagegen beneiden ihre Kollegen in Schleswig-Holstein um die dort geltenden Regeln. Denn in Mecklenburg-Vorpommern dürfen die Läden seit 2011 nur an 31 Sonntagen für fünf Stunden öffnen – eine Stunde weniger als im Nachbarland. Auch dort hatte es 2011 laute Proteste gegen die Neuregelung gegeben. Auch von anstehenden Entlassungen war damals die Rede gewesen. „Im Einzelfall kann man das nicht ausschließen. Erhebliche Verwerfungen in der Branche hat es aber nicht gegeben“, sagt der für Tourismusfragen zuständige Geschäftsführer bei der Industrie- und Handelskammer Rostock, Thomas Volkmann.

In Mecklenburg-Vorpommern gilt eine deutlich strengere Regelung

In Mecklenburg-Vorpommern hatte die katholische Kirche im Juli 2011 beim Oberverwaltungsgericht Greifswald einen Normenkontrollantrag gestellt. Ihrer Ansicht nach verletzt die Verordnung das Verhältnis von Regel und Ausnahme. Das Verfahren ruht aber auf Antrag der Kirche, dem hatte die Landesregierung zugestimmt. Derzeit laufen nach Angaben des Wirtschaftsministeriums in Schwerin Gespräche, Details wollte ein Sprecher nicht nennen. Die derzeitige Regelung läuft bis Ende 2015. „Es wäre schön, schon im Laufe des Jahres eine neue Regelung analog zu der bei unseren westlichen Nachbarn zu bekommen. Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit“, sagte Volkmann.