Kita-Streit, Bäderregelung, Tariferhöhung bei den Landesbeamten: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) regiert seit einem Jahr mit seiner Dänenampel in Kiel - eine Bilanz.

Kiel. Vor exakt einem Jahr löste sich im Kieler Landtag "ein Stein in Luft auf". So beschrieb Torsten Albig damals den Moment seiner Wahl zum schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten. Die knappe Ein-Stimmen-Mehrheit seiner Koalition aus SPD, Grünen und SSW hatte nicht nur gehalten - es fanden sich sogar zwei weitere Abgeordnete, die für ihn votierten. Weggewischt war das Trauma von 2005, als die SPD-Spitzenkandidatin Heide Simonis in drei quälenden Wahlgängen die Mehrheit verfehlte - und einer großen Koalition unter Führung der CDU weichen musste.

Ein Jahr nach der Albig-Wahl, ein Jahr nach dem Start der ersten Dänenampel in Schleswig-Holstein, wirkt der Ministerpräsident bisweilen so, als spüre er immer noch die plötzliche Erleichterung des Wahltags. Er eilt von Auszeichnungen zu Ehrungen, von Einweihungen zu Jubiläen, er lädt zu Bürgergesprächen - und immer beschwört er die Stärken des Landes. In der Staatskanzlei stecken seine Mitarbeiter für jeden Besuch ein Fähnchen in eine Landkarte, wobei auf eine gleichmäßige Verteilung geachtet wird. Mittlerweile ist der ehemalige Kieler Oberbürgermeister, der als solcher in anderen Landesteilen nicht automatisch für ein Schleswig-Holsteiner gehalten wird, so ziemlich überall bekannt.

Und, wenn man es richtig mitbekommen hat, auch so ziemlich überall beliebt. Torsten Albig kann mit Menschen, er wirkt dabei nicht aufgesetzt. Ihm macht das tatsächlich Spaß.

In Zeiten der Schuldenbremse, die das Verteilen von Wohltaten auf ein Minimum beschränkt, ist das Austeilen eines Maximums an Wohlwollen vermutlich eine gute Idee. Albig kann sich dieser Idee auch deshalb so ausgiebig widmen, weil die ungleichen Koalitionspartner SPD, Grüne und SSW das erste Regierungsjahr nahezu störungsfrei absolviert haben. Gewiss, der SSW will unbedingt ein privat finanziertes Lokalradio einführen. Und die SPD möchte unbedingt ihrem alten Kämpen Berndt Heydemann etwas Gutes tun, dessen Umweltzentrum kurz vor der Pleite steht. Aber bisher haben die drei Partner ihre Interessen ganz gut austarieren können.

Bei umstrittenen Vorhaben, beispielsweise der Schulgesetzänderung, nimmt sich die Dänenampel viel Zeit, um die Beteiligten einzubinden. Anderes ging wesentlich schneller: Der Kita-Streit mit den Kommunen wurde beendet, eine neue Bäderregelung ist gefunden. Und als der Konflikt mit den Landesbeamten um die Tariferhöhung zu einer ernsthaften Belastung zu werden drohte, kam der Koalition ein Zufall zu Hilfe. Das Ergebnis der Volkzählung sorgt dafür, dass Schleswig-Holstein Jahr für Jahr rund 60 Millionen Euro mehr aus dem Länderfinanzausgleich bekommen wird. Mit einem Teil des Geldes können nun die Beamten befriedet werden.

Glück gehabt, gewiss. Aber bei der Zusammenstellung seiner Ministerriege hat Albig eben auch Geschick gezeigt. In den Schlüsselressorts gibt es kaum Probleme. Reinhard Meyer (SPD) macht seinen Job als Wirtschafts- und Verkehrsminister mit einer Bärenruhe, an der bislang jede Aufgeregtheit der Opposition abprallt. Irgendjemand hat ihm den Spitznamen "Tatortreiniger" verpasst. Vielleicht, weil nach einem Einsatz von Meyer manches klarer ist.

Innenminister Andreas Breitner (SPD) ist Polizist und hat die Polizei im Griff. Seine Bewährungsprobe kommt noch: die Reform des kommunalen Finanzausgleichs. Der Energiewendeminister Robert Habeck (Grüne) hat es sogar geschafft, die Bürger für seine von Moralvorstellungen geleitete Position zur Aufnahme von Atommüll einzunehmen. Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) hat den vielleicht schwierigsten Job in der Regierung bisher gut gemeistert. Angesichts der Schuldenbremse gilt aber immer: Das nächste Jahr ist das schwierigste. Anke Spoorendonk (SSW, Justiz und Kultur) und Kristin Ahlheit (SPD, Soziales) tun unauffällig ihren Dienst.

Im Bildungsministerium sitzt mit Waltraud Wende (parteilos) der einzige Problemfall. Ihr fehlt es manchmal an Sensibilität. Letztes Beispiel: die völlig unnötige Umbenennung des Fachs Heimatkunde in "Sachkunde".

Die Opposition hat dennoch einen schweren Stand. Insbesondere die CDU spürt, dass die Schuldenbremse auch für sie eine Belastung sein kann. Mit welchen Gegenvorschlägen will man punkten, wenn der finanzielle Spielraum so eng ist wie eine zu heiß gewaschene Röhrenjeans?

Aber auch für Torsten Albig könnte die Regierung des maximalen Wohlwollens bald ein Ende haben. Ralf Stegner, der SPD-Fraktionschef, hat ihm beim Streit um die Beamtenbesoldung deutlich gezeigt, wo am Ende entschieden wird: im Landtag, nicht in der Staatskanzlei. Und hinter verschlossenen Türen gesteht Albig schon mal ein, dass der Haushalt 2014 schwierig wird. Jahr für Jahr sinkt die Neuverschuldung. Der Ministerpräsident muss an den größten Brocken ran, an die Personalausgaben. Wer dort sparen will, muss Aufgaben streichen. Aber welche? "Landesverwaltung ist keine Ansammlung von Menschen, die sich langweilen. Dort wird gearbeitet", hat er unlängst etwas ratlos gesagt. Wird das Regieren etwa doch noch zur Last?