Statistisch dreimal pro Tag werden Polizisten Opfer brutaler Angriffe. Albig schließt Gefahrengebiete nicht aus. Nach Ansicht von Albig müsse der Staat deutlich machen, dass er Grenzverletzungen nicht hinnehme.

Kiel. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) hat ein stärkeres Vorgehen bei Gewalt gegen Polizisten gefordert und notfalls auch Gefahrengebiete nicht ausgeschlossen. „Die Gewalt gegen unsere Polizisten hat inzwischen ein Ausmaß erreicht, das wir nicht mehr hinnehmen können“, sagte Albig am Mittwoch vor 300 Führungskräften der Landespolizei in Altenholz. Der Respekt gegenüber der Polizei sei stellenweise dramatisch gesunken.

„Wenn es wie in einem geschilderten Fall so ist, dass jemand fast zu Tode kommt, es aber zwei Jahre später immer noch keine Anklage gibt, dann ist das nicht akzeptabel“, erklärte Albig am Rande der Sonderlehrveranstaltung der Polizei in Altenholz. Dort hatten zwei Polizisten von ihren eigenen Fällen berichtet. Auch Innenminister Andreas Breitner (SPD) zeigte sich „schockiert von der Schilderung“ einer der Beamten. „Die Gewalt wird immer stärker, die Verrohung nimmt zu“, sagte der ehemalige Polizist. Allheilmittel gegen das Phänomen der Gewalt gegen Beamte gebe es nicht. „Man weiß gar nicht, wo man da ansetzen soll, wenn man das hört, weil es keinen Knopf gibt.“

Unverständlich sei es, dass ein Beamter im Einsatz mit seinem Leben gerungen habe und der Straftäter fast zwei Jahre später noch nicht belangt und der Polizeibeamte nicht einmal vernommen worden sei.

„Das ist keine Kritik an der Justiz, sondern eine Kritik insgesamt am Staat“, sagte Breitner.

Nach Ansicht von Albig müsse der Staat deutlich machen, dass er Grenzverletzungen nicht hinnehme. Im Extremfall ist für den Sozialdemokraten auch die Einrichtung von Gefahrengebieten eine Möglichkeit, wie jüngst nach schweren Krawallen und Angriffen auf Polizisten in Hamburg geschehen. „In einer ähnlichen Situation hätte ich mich ganz genauso verhalten wie die Hamburger“, sagte der Regierungschef. Das Ausrufen von Gefahrengebieten sei angesichts massiver Angriffe auf Polizisten die richtige Antwort der Politik gewesen. Dies müsse aber „Ultima Ratio“ bleiben, sagte Albig. Nach Angaben des Innenministeriums ist die Einrichtung von Gefahrengebieten auch in Schleswig-Holstein grundsätzlich möglich, aber mit einer Reihe von Einschränkungen verbunden.

Seit April 2013 sucht ein Gruppe unter dem leitenden Polizeidirektor Bernd Lohse Strategien, um der Gewalt gegen Polizisten entgegenzuwirken. „Unsere Arbeitsgruppe hat leider kein Patentrezept gefunden“, sagte Bernd Lohse. Die Angriffe würden „immer brutaler und heimtückischer“. Es sei deshalb nicht mehr zu verantworten, dass Kollegen allein zu Einsätzen fahren. Auf dem Land sei dies aber oft der Fall. Der Tenor unter den Polizisten im Land sei, „der Tatbestand wird bagatellisiert“, sagte Lohse. Dabei nehme die Intensität der Gewalteinwirkung stetig zu. „Das Aggressionspotenzial ist sehr groß: Es bleibt nicht bei Beleidigungen. Häufig werden Angriffe mit Schlägen und Tritten, aber auch mit Hieb- und Stichwaffen ausgeführt.“ Erstmals seit Jahren hatte die Gewalt gegen Beamte 2013 allerdings wieder abgenommen. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 354 Polizisten bei Einsätzen im Land verletzt. Das waren etwa 20 Prozent weniger als im Jahr 2012. Die Polizei registrierte 1188 Gewalttaten, was einem Minus von zehn Prozent entspricht. „Gewalt gegen Polizisten ist in Schleswig-Holstein allgegenwärtig“, sagte Landespolizeidirektor Ralf Höhs. Probleme bereite den Beamten vor allem der „alkoholschwangere Wochenendwahnsinn“.

Albig verwies mit Blick auf die Gewaltbereitschaft auf fundamentale Veränderungen in der Gesellschaft. „Ich bin nicht bereit zu akzeptieren, dass das normal ist“, sagte er. Als er zu den Fußballspielen des Drittligisten Holstein Kiel ins Stadion gegangen sei, habe seine Tochter ihn bereits gefragt: „Warum ist denn da Krieg, Papa?“