Die Dülmener sind die älteste Pferderasse der Welt. Zwei kleine Herden sorgen dafür, dass die Kulturlandschaft immer wieder kräftig blüht und sind eine Touristenattraktion.

Niederhaverbeck. Zottelig, zäh und ziemlich gefräßig: Für ihren Einsatz in der Lüneburger Heide sind die Dülmener genau die Richtigen. 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr räumen die Ponys draußen auf, knabbern kleine Triebe von den Bäumen ab und fressen frisches Laub von den Ästen. Dülmener sind die älteste Pferderasse der Welt – und seit der Grünen Woche in Berlin „Gefährdete Nutztierrasse des Jahres“.

Es gibt sie seit 1000 Jahren, doch nach Angaben der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen leben nur noch 485 von Deutschlands letzter Wildpferde-Rasse. Und die zweitgrößte Herde in der Lüneburger Heide. „Die Pferde haben sich absolut bewährt“, sagt Steffen Albers von der Stiftung Naturschutzpark Lüneburger Heide. Normalerweise sorgen Heidschnucken dafür, dass Bäume und Sträucher nicht zu groß werden, dass die Heidepflanzen ausreichend Raum zum Wachsen und touristenträchtigen Blühen behalten. Doch wo schon ein wenig Wald ist und bleiben soll und wo der Boden zu feucht ist, da haben die Schnucken keine Chance: Zu schnell erkranken sie an den Klauen.

Deshalb setzen die Naturschützer in diesen Gebieten auf andere tierische Helfer. Wilseder Rote, das sind Rinder, und die Dülmener Wildpferde. Wobei die so richtig wild gar nicht sind, wie Albers erklärt: „Zwei von ihnen sind mit dem Team unseres Landschaftspflegehofes zur Grünen Woche nach Berlin gefahren und haben es dort in der Halle ausgehalten.“ Bei sehr strengem, langem Frost wird zudem zugefüttert.

Insgesamt 36 Zottelmähnen in zwei Herden leben mittlerweile in der Heide, angefangen hatte die Stiftung vor zehn Jahren mit sechs Ponys in einer Herde. Um Inzest zu vermeiden und Blut und Genpool frisch zu halten, holen die Heidjer Hengste aus der größten Herde Deutschlands hinzu: Auf dem Land des Herzogs von Croy in Westfalen leben rund 360 der bedrohten Tiere. Zur Fortpflanzung machen einige von ihnen regelmäßig Ausflüge gen Norden – und sind erfolgreich dabei: Auch in diesem Winter erwarten wieder sechs Stuten Nachwuchs.

Arbeiten sie andernorts auch als Zugpferde für Kutschen, sind die Ponys auf ihren Weidegebieten im Radenbachtal und Tütsberger Grünland im Prinzip nur für eines zuständig: fressen. Und zwar Kiefern, Erlen, Weiden und Birken – alles, was aus dem Boden sprießt und nicht in das Konzept einer Offenlandschaft mit Magerrasen passt.

Die will die Stiftung aus Niederhaverbeck erhalten, um wiederum bedrohten Vögeln einen Lebensraum zu schaffen: vom Großen Brachvogel über das Birkhuhn bis zur Bekassine. Ersterer hieß früher im Volksmund übrigens „Vogel tüt“ – und weil er dort lebte, nannten die Menschen die Gegend Tütsberg.

„Wälder wirken für Birkhühner wie Mauern“, erklärt Steffen Albers, der erst Koch gelernt hat und seit 13 Jahren für den Naturschutzpark arbeitet. Würde die Fläche nicht beweidet, wäre sie in 15 Jahren aber genau das: Wald. Stattdessen kommt jedes Jahr mehr Calluna Vulgaris durch, die hiesige Heide. Sogar die Abfälle der Ponys sind mehr als stinkende schwarze Haufen – Brachvogel, Kiebitz und Bekassine stochern im Dung nach fressbaren Insekten. „Mit den Pferden sind auch die bedrohten Vögel zurückgekommen“, sagt Steffen Albers. „Sie brauchen das. Fällt es weg, ziehen sie fort.“

Wissenschaftlich begleiten lässt die Stiftung ihr Landschaftspflegeprojekt von der Leuphana Universität Lüneburg: Die Wissenschaftler dokumentieren die Effekte der fressenden Vierbeiner und beobachten die Pflanzen ganz genau: Blüht zum Beispiel eine Orchideenart wie das Knabenkraut im Weidegebiet, werden Rinder und Pferde dort nur wenig hingelassen.

Auf die Dülmener will und kann die Stiftung bei ihrer Arbeit zwischen Hanstedt, Döhle, Tütsberg und Schneverdingen nicht verzichten. „Eine Alternative gibt es nicht“, sagt der Fachbereichsleiter. Per Hand zu entkusseln, wäre wegen des teilweise sehr nassen Untergrunds nicht nur schwierig, sondern auch extrem unwirtschaftlich.

Für Wirtschaftskraft sorgen die Ponys mit den wilden Mähnen und ihre Rinder-Kollegen derweil gleich mit: als Touristenmagneten. „Viele Leute kommen extra wegen der Wildtiere in die Heide“, weiß Steffen Albers und gibt den Tipp für die besten Parkplätze gleich mit: Wer zum kleinen Tütsberger Grünland im Süden mit etwa zwölf Tieren will, erreicht es zu Fuß vom Landschaftspflegehof Tütsberg aus, und wer durchs große Radenbachtal im Norden mit mehr als 60 Tieren wandern will, kann in Döhle oder Undeloh starten.