Andrea Funcke lebt auf einem Hof an der Elbe. Doch der Traum, von der Landwirtschaft zu leben, geht nicht immer auf

Walmsburg. Die Gläser mit der Tomatensauce sind nach Farben sortiert. Die Sorte „ohne was“ ist grün, die „mit Basilikum“ rot. Wenn es bei Andrea Funcke schnell gehen soll mit dem Mittagessen, dann wirft sie Kartoffeln in den Topf, greift zur Sauce und reibt ein bisschen Käse drüber. Das geht so schnell wie in jeder anderen Küche auch. Mit dem Unterschied, dass Andrea Funcke ihre Tomatensauce im Herbst selbst gemacht hat. Denn die 46-Jährige lebt allein als Selbstversorgerin an der Elbe.

Wer ihren „Funckenhof“ besuchen will, muss abbiegen. Denn das ursprüngliche Walmsburg liegt nicht an der Hauptstraße, an der viel frequentierten Elbuferstraße. Es liegt ein wenig abseits. Der Weg führt mitten hinein in den Kern des ehemaligen Rundlingsdorfs – es ist schöner anzusehen als jedes Schulbuch die alte Siedlungsform erklären könnte. „Abenteuer Landleben“, so werden Gäste mit gelben Buchstaben auf grüner Holztür begrüßt – und eben dieses Abenteuer ist der Alltag von Andrea Funcke.

Die gebürtige Dithmarscherin aus der Gegend um Brunsbüttel studiert Landschaftsarchitektur, da wird ihr klar: Sie wird immer dann Geld verdienen, wenn andere Natur zerstören und sie ein Gutachten dazu schreibt. Mehr Erklärung ist nicht nötig dafür, dass sie sich entschließt, lieber als mobile Altenpflegerin an der Nordseeküste zu arbeiten, um Geld zu verdienen. Denn ein Leben als reine Selbstversorgerin könne sie sich nicht leisten. „Wohl niemand kann das heute mehr“, sagt sie.

Seit 2007 lebt Andrea Funcke auf dem Hof im Rundlingsdorf, knapp 300Jahre alt sind manche Mauern, Türen und Schränke. „Früher hat hier der ganze Hof von einer Kuh gelebt“, erzählt die Frau im grünen Arbeitsoverall beim Mittagessen aus Keramikschüsseln. „Heute ernähren 700 Schafe einen einzigen Menschen. Mit Lebensmitteln lässt sich kein Geld mehr verdienen.“

Lehm für Wände, Steine für Mauern, Wolle für Kleidung, Gemüse, Getreide und Tiere für Nahrung – wenn sie wollte, könnte sie tatsächlich alles selbst herstellen, was sie zum Leben braucht. Doch es sei gar nicht die Frage des Wollens, es sei eine Frage der Zeit. Des Systems, wie Andrea Funcke sagt. Denn sie müsse Geld verdienen, um ihre Kosten zu decken: Miete, Strom, Versicherungen, Steuern, Beiträge für Genossenschaften und Seuchenkassen. 1000 Euro im Monat.

„Die Summe muss ich jeden Monat erwirtschaften“, sagt die 46-Jährige. „Das kann ich mit Landwirtschaft alleine nicht.“ Ein bisschen was nimmt sie durch den Verkauf von Wurst, Wollprodukten und Geflügel ein, doch das meiste verdient sie als Erlebnis-Pädagogin. Sie bietet naturkundliche Führungen an, Ferienfreizeiten und Kurse für Kinder, Workshops für Manager. Ihr Garten ist ein Freiluftmuseum, auf Schildern erklärt sie, wo die Nashornkäfer krabbeln und für wen die Totholzhecke wichtig ist. Den kompletten Kreislauf einer Bewirtschaftung wie vor 100 Jahren lernen die Besucher bei ihr kennen.

50 Schafe hält sie, drei Esel und ein Maultier, ein rundes Dutzend Hühner und Hähne, drei Gänse, fünf Enten, zwei Hunde und drei Katzen.

Den Nachwuchs der Enten und Gänse hat sie gerade verkauft, die weißen Flügel der Gänse liegen noch auf der Bank vor ihrer Haustür. Andrea Funcke gibt sie an die Imker der Gegend weiter, sie fegen damit die Bienen von den Waben.

Etliche Küken und Gelege hat die Halterin beim Elbehochwasser verloren, sämtliche Obstbäume sind ertrunken: abgestorben. Ein paar neue hat sie schon gepflanzt, das Gemüse – Grünkohl und Feldsalat – wächst zum Glück in Hochbeeten, die das Wasser nicht erreicht hat. Dann haben ihr Krähen das Leben für einen Moment verleidet: „Sie haben meinen Lämmern die Augen ausgestochen“, erzählt die erfahrene Schafhalterin. „Vorher hatte ich Krähenangriffe immer ins Reich der Märchen gepackt.“ Bis sie sie selbst erlebt hat. Die Hälfte ihrer Lämmer hat Andrea Funcke in diesem Jahr verloren – einige durch die Krähen, andere wurden ihr gestohlen.

Sieben Tage die Woche arbeitet die Selbstversorgerin, wenn sie einmal wegfahren will, geht das in der Regel nicht. Taufe der Nichte in Bayern? Verpasst. Weihnachten? Am 6. Dezember hat sie mit der Familie gefeiert – und auch nur, weil ihre beiden Ex-Praktikantinnen vom Sommer auf dem Hof eingehütet haben. „Ich kann hier sonst nicht weg.“

www.funckenhof.de