Bund der Steuerzahler prangert im Schwarzbuch teuren Naturschutz und Bauprojekte an. Kritik an Kieler Freizeitbad

Kiel/Hamburg. Angeklagt ist „Die öffentliche Verschwendung“: Diese drei Worte stehen in weißen Lettern auf dem pechschwarzen Einband des neuen Schwarzbuchs des Bundes der Steuerzahler. Und in diesem Buch steckt ganz viel Norddeutschland. Es geht unter anderem um 2,4 Millionen Euro für ein Straßenpflaster, um 3,3 Millionen Euro für den Goldenen Scheckenfalter und um 23,6 Millionen Euro für ein neues Schwimmbad.

Gut hundert Fälle aus dem ganzen Bundesgebiet werden beschrieben, 17 kommen aus den drei norddeutschen Ländern Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen.

In dem kleinen Dorf Lütjenholm, nördlich von Husum, hat die landeseigene Stiftung Naturschutz 18 Hektar Fichtenwald abholzen lassen, um eine Trockenrasen-Landschaft zu schaffen. Die soll unter anderem dazu genutzt werden, den Goldenen Scheckenfalter anzusiedeln. Der Schmetterling ist weitgehend ausgestorben. 3,3 Millionen Euro kostet der Versuch, dem Falter ein neues Zuhause zu geben. Die Hälfte bezahlt die EU. Die Kosten sind deshalb so hoch, weil für die gefällten Bäume Ersatz geschaffen werden muss. Weil im Kreis Schleswig-Flensburg nicht genug Aufforstungsflächen aufzutreiben waren, profitiert nun auch der Nachbarkreis Rendsburg-Eckernförde vom Schmetterlingsansiedlungsprogramm. Gut zwei Hektar Wald entstehen dort. Für den Bund der Steuerzahler ist dies alles schon allein deshalb Geldverschwendung, weil Fachleute nicht vorhersagen können, ob es gelingt, den gefährdeten Falter anzusiedeln.

Auch überbordende „Gutachteritis“ hat der Steuerzahlerbund ins Visier genommen. Hamburg hat sich da besonders hervorgetan. Im Streit um die Esso-Häuser auf der Reeperbahn sind vier Gutachten erstellt worden, die sich mit dem Zustand der Gebäude befassen. Der Hauseigentümer will sie abreißen, die Bewohner wollen ihre preiswerten Wohnungen erhalten.

Das Bezirksamt Hamburg hatte, um in dem Streit zu vermitteln, ein viertes Gutachten in Auftrag gegeben. „Das Ergebnis“, heißt es im „Schwarzbuch“, „überrascht wenig: Die Esso-Häuser sind einsturzgefährdet, eine Sanierung unwirtschaftlich, ein Abriss zwingend erforderlich.“ 100.000 Euro habe das Bezirksamt dafür ausgegeben. Neben den Esso-Häusern und der Elbphilharmonie, die nach 2012 schon zum zweiten Mal erwähnt wird, hat es Hamburg mit einem dritten Fall ins „Schwarzbuch“ geschafft – mit der Zierlichen Tellerschnecke, dem „Weichtier des Jahres 2011“. Sie lebt im Stadtteil Bergedorf, dort, wo ein Gewerbegebiet entstehen soll. Das seltene Tier soll umgesiedelt werden. Bis 2015 muss nun abgewartet werden, ob die Umsiedlung der Schnecke gelingt. 300.000 Euro hat die Stadt Hamburg bereits ausgegeben.

Auch Niedersachsen ist mit drei Fällen im aktuellen „Schwarzbuch“ vertreten. Besonders viel scheint in Verden an der Aller schiefgelaufen zu sein. Die Kosten für die Pflasterung des Rathausvorplatzes haben sich verdoppelt. Bei Beginn der Planungen 2011, hatte man mit 1,2 Millionen Euro gerechnet, nun werden es wohl 2,4 Millionen Euro. Die Stadt hatte Schwierigkeiten, Steine in der geforderten Qualität zu bekommen. Um sicherzugehen, ließ sie das Material prüfen. Dann entschied sie sich für Steine aus Portugal, die reagieren aber auf Regen mit hässlichen Flecken.

Schleswig-Holstein hat es mit elf Einträgen ins Buch der Verschwendungsrekorde geschafft. Neben der aufwendigen Falterverwaltung in Lütjenholm geht es auch um teure öffentliche Bauten und um einen absurden Schilderstreit. In Siebeneichen im Kreis Herzogtum Lauenburg führt eine alte Seilzugfähre über den Elbe-Lübeck-Kanal. Leider wird sie selten benutzt, weshalb der Bürgermeister von Siebeneichen ein werbendes Schild an die nächste Landstraße stellen ließ. Nur hatte er dafür keine Genehmigung. Die Kreisverwaltung wollte sie auch nachträglich nicht erteilen, weil das Schild eine braune Grundfarbe hatte. Diese Farbe sei „touristisch bedeutsamen Zielen“ vorbehalten, die Fähre gehöre nicht dazu. Ein Schild mit grüner Grundfarbe könne hingegen genehmigt werden. Der Steuerzahler trägt die Folgen dieses Irrsinns. Auf seine Kosten wurde erst ein 300 Euro teures braunes Schild und dann ein 400 Euro teures grünes gekauft.

In Kiel geht es um mehr Geld. Die mit mehr als 400 Millionen Euro verschuldete Stadt plant den Bau eines Sport- und Freizeitbads. Gesamtkosten: 23,6 Millionen Euro. „Die Forderungen nach einem Wettkampfbecken und nach Sprungplattformen sind berechtigt“, sagt der Steuerzahlerbund. Nicht notwendig seien hingegen der 700 Quadratmeter große Freizeitbereich und die 450 Quadratmeter große Saunalandschaft. „Gerade der Freizeitbereich verursacht im Betrieb erhebliche Defizite“, mahnt der Steuerzahlerbund.

Mit seinem „Schwarzbuch“ will er die Bürger für das Thema Steuerverschwendung sensibilisieren. „Wenn den Lesern klar wird, dass durch die Verschwendung von Steuergeldern wichtige Aufgaben des Staates nicht oder nicht ausreichend finanziert werden können, dann stärkt dies auch das Bewusstsein für die öffentlichen Haushalte insgesamt“, sagte Aloys Altmann, der Präsident des Steuerzahlerbundes in Schleswig-Holstein, in Kiel.