Weil die FDP nicht mehr im Bundestag vertreten ist, werden die Karten bei der bundesweiten Suche nach einem Endlager neu gemischt.

Hannover. Noch ist nicht klar, wer mit wem auf Bundesebene künftig koaliert. Klar aber ist: In der Frage der Endlagerung von hochradioaktivem Müll werden wegen des Ausscheidens der FDP aus dem Entscheidungsprozess die Karten neu gemischt. Dies gilt auch für die Frage, wohin mit den 26 Castor-Behältern aus der Wiederaufarbeitung im Ausland, da doch der Standort Gorleben fraktionsübergreifend ausgeschlossen worden ist.

Zur Erinnerung: Sowohl das von CDU und FDP regierte Hessen als auch das von CSU und FDP regierte Bayern hatten vor den Landtagswahlen in diesem September definitiv ausgeschlossen, Castoren aus der Wiederaufarbeitung im britischen Sellafield wie im französischen La Hague an Standorten eigener Kernkraftwerke aufzunehmen. Andererseits war klar: Schleswig-Holstein mit dem Standort Brunsbüttel und Baden-Württemberg knüpfen ihre Bereitschaft, dem wendländischen Zwischenlager Gorleben weitere Transporte zu ersparen, an die Zusage mindestens eines christdemokratisch regierten Bundeslandes, auch einen Teil der Last zu tragen.

Wer auch immer neuer Bundesumweltminister wird, steht nun in der Pflicht, einen konkreten Vorschlag zu unterbreiten: Der Verzicht auf weitere Transporte ins Gorlebener Zwischenlager ist Voraussetzung für den großen Kompromiss, eine neue ergebnisoffene Endlagersuche zu organisieren.

Bestandteil des neuen Gesetzes, das der Bundestag unmittelbar vor der Bundestagswahl verabschiedet hat, ist die Einsetzung einer hochkarätigen Kommission, die die Kriterien für diese neue Standortsuche festlegt. Wenn zur Mitte der neuen Legislaturperiode des Bundestages diese Kommission ihre Vorschläge vorlegt, wird die CDU sie – mit welchem Bündnispartner auch immer – umsetzen müssen. Der Ausweg, mit dem alten Koalitionspartner FDP einfach auf Gorleben zurückzufallen, ist verbaut.

Damit aber bekommt das neue von allen Fraktionen mit Ausnahme der Linken im Bundestag verabschiedete Endlagersuchgesetz ein größeres Gewicht. Dies gilt schon für die Ernsthaftigkeit, mit der völlig neue Optionen geprüft werden. Also wird die Kommission sich zuerst einmal mit der Frage beschäftigen, ob die bislang favorisierte Endlagerung ohne Rückholbarkeit Bestand hat. Alternativ könnten die mehr als 20.000 Tonnen an erwartbaren Mengen an hochradioaktivem Müll auch in einem neuen Typ von Zwischenlager landen nach dem Prinzip Hoffnung – Hoffnung auf Fortschritte der Physik wie der Chemie, um dem Müll die tödliche Strahlung doch noch abzugewöhnen.

Und selbst wenn diese Frage mit Nein beantwortet wird, muss die Kommission weitere Grundsatzfragen behandeln, die bislang ausschließlich politisch entschieden worden sind. Ist Salz wie in Gorleben tatsächlich das beste Wirtsgestein für ein Endlager? Oder doch Granit oder Ton? Auf Letzteres setzt – auch mangels Salz – die Schweiz inzwischen aus Überzeugung mit dem Versprechen, die Langzeitsicherheit der Lagerung gewährleisten zu können.

Und selbst wenn sich am Ende in der Kommission Salz als das geeignetste Wirtsmedium bestätigen sollte, ergibt sich eine neue brisante Frage: Wie gut ist Gorleben als Endlager geeignet? Der Salzstock im Wendland stand nicht auf der Liste der am besten geeigneten Standorte, die Wissenschaftler in den frühen 70er-Jahren erstellt hatten. Dann aber griff die Politik ein, Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) forderte vom niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) im nationalen Interesse die Benennung eines Standortes – und Albrecht zeigte auf Gorleben. Im entscheidenden Papier der Landesregierung spielte die Sicherheit eine untergeordnete Rolle, es ging vor allem um Arbeitsplätze und wohl auch darum, dass dieser entlegene Zipfel des Landes die geringsten Widerstände versprach.

Diese Rechnung ist bekanntlich nicht aufgegangen, das dünn bevölkerte Wendland mutierte zur Widerstandsrepublik – aus allen Regionen Deutschlands kamen die Protestanten. In Gorleben stehen trotzdem 113 Castor-Behälter in einer Halle. Sie enthalten mehr radioaktive Strahlung als alle Fässer im maroden Endlager Asse bei Wolfenbüttel, die dort auf die Rückholung warten – immer vorausgesetzt, das ehemalige Bergwerk säuft nicht ab, ehe die Bergung des Mülls gelingt.

Aber jetzt geht es erst einmal um die Frage, welche Partei künftig den Bundesumweltminister stellt. Und wer einen konkreten Vorschlag macht, wohin die letzten 26 Castoren mit hochradioaktivem Müll kommen, die ursprünglich aus deutschen Kernkraftwerken stammen und in Frankreich und England aufbereitet wurden. Der neue grüne niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel pocht darauf, dass es dabei um eine gesamtstaatliche Aufgabe geht. „Auch in Bayern und Hessen sind die Wahlkämpfe vorbei“, sagt er. Und meint: Einer von beiden muss nachgeben.