Der Südschleswigsche Wählerverband behält seine Sonderrolle in Schleswig-Holstein. Das Landesverfassungsgericht bestätigte die Regierung um Ministerpräsident Torsten Albig.

Kiel. Die Kieler Regierungskoalition bleibt im Amt. Der Landesverfassungsgericht hat am Freitag entschieden, dass das Ergebnis der Landtagswahl 2012 rechtlich nicht zu beanstanden ist. Damit hat die Ein-Stimmen-Mehrheit der drei Koalitionäre SPD, Grüne und SSW weiterhin Bestand. Der SPD-Landeschef Ralf Stegner kommentierte im Sonnenschein vor dem Schleswiger Gerichtsgebäude: „Gutes Wetter, gutes Urteil.“

Ob das auch die Sicht des Verfassungsgerichts war, darf bezweifelt werden. Das siebenköpfige Gremium präsentierte sich tief gespalten. Per Sondervotum widersprachen in einem wichtigen Punkt drei Richter dem Urteil ihrer vier Kollegen.

Das Gericht hatte über mehrere Wahlprüfungsbeschwerden zu entscheiden. Eine kam von führenden Mitgliedern der Jungen Union. Sie richtete sich gegen den Südschleswigschen Wählerverband (SSW) und gegen dessen Befreiung von der Fünf-Prozent-Hürde. Die hatte dazu geführt, dass die Dänen-Partei bei der Landtagswahl auf drei Sitze gekommen war. Die CDU-Opposition hatte an die Beschwerde die unausgesprochene Hoffnung geknüpft, dass dem SSW Mandate abgenommen werden. Dies hätte Neuwahlen zur Folge haben können.

Doch daraus wird nun nichts. Als hätten sie es geahnt, waren sowohl der Oppositionsführer Johannes Callsen (CDU) als auch der wegen seiner rhetorischen Fähigkeiten als heimlicher Oppositionsführer bezeichnete Wolfgang Kubicki (FDP) der Urteilsverkündung ferngeblieben. Das, was Bernhard Flor, der Präsident des Landesverfassungsgerichts vortrug, wäre für sie auch alles andere als erfreulich gewesen.

Zunächst einmal räumte das Gericht mit einer Behauptung der Jungen Union auf. Deren Rechtsanwalt Trutz Graf Kerssenbrock hatte vorgetragen, der SSW sei mittlerweile keine Partei der dänischen Minderheit mehr. Nur für sie gilt laut Wahlgesetz die Befreiung von der Fünf-Prozent-Hürde. Der SSW, so hatte Kerssenbrock argumentiert, trete bei Wahlen auch im Süden Schleswig-Holsteins auf, obwohl es dort keine dänischstämmigen Bürger geben. Und er beschäftige sich schon längst nicht mehr mit speziellen Minderheitsthemen, sondern sei auf allen Politikfeldern aktiv.

Der Verfassungsgerichtspräsident Flor mochte dem nicht folgen – und war sich in diesem Punkt mit seinen Richterkollegen einig. „Die Befassung mit allen politischen Themen gehört zum Wesen einer Partei“, sagte Flor. Integrationsbemühungen würden konterkariert, wenn man sich auf Minderheitenthemen beschränken müsse.

Blieb noch die Frage, ob es mit der Verfassung in Einklang zu bringen ist, dass der SSW bei Wahlen eine einzigartige Privilegierung genießt: Die Fünf-Prozent-Hürde gilt für die Dänen-Partei nicht. Richter Flor und mit ihm die Mehrheit im Gericht sagt: Ja, der Minderheitenschutz erlaubt das, gebietet es sogar. „Die politische Mitwirkung der dänischen Minderheit ist ein Verfassungsgut von hohem Rang“, so Flor.

Anders sieht es die Minderheit im Gericht. Verfassungsrichter Klaus Brock trug unmittelbar nach den Ausführungen von Flor eine entgegengesetzte Meinung vor. Die Wahlgleichheit sei wichtiger als der Minderheitenschutz. Die Wahlgleichheit sei aber durch die Befreiung von der Fünf-Prozent-Hürde eingeschränkt, denn andere Parteien, die davon nicht befreit seien, hätten bei der Wahl schlechtere Chance. Zwar müsse die Minderheit geschützt werden. Aber dies sei auch auf andere Weise als durch die Befreiung möglich. Beispielsweise durch die Festsetzung, dass der SSW stets einen Landtagssitz bekomme. Damit habe die dänische Minderheit dann auf jeden Fall eine parlamentarische Stimme.

Nach dem Urteil wurde heftig diskutiert. Einige werteten den Richterspruch als einen Versuch der Wiedergutmachung für 2010. Damals hatte das Gericht den Landtag wegen anderer wahlrechtlicher Fragen aufgelöst – ein Schritt, der auf scharfe Kritik gestoßen war. Das aktuelle Urteil bedeutet nun das Gegenteil: Alles bleibt, wie es ist. Der SSW freute sich erst einmal darüber. Lars Harms, Fraktionschef im Kieler Landtag, sagte: „Es ist bestätigt worden, dass wir die Partei der dänischen Minderheit sind.“ Für den SSW-Landesvorsitzenden Flemming Meyer hat das Ganze einen bitteren Nachgeschmack. „Die Tatsache, dass die Existenz der dänischen Minderheit in Abrede gestellt worden ist, tat weh. Da müssen jetzt einige erklären, was damit bezweckt werden sollte.“ Nicolas Sölter von der JU, einer der Beschwerdeführer, wies auf das Sondervotum hin: „Drei von sieben Richtern haben unsere Einschätzung zur Verfassungswidrigkeit der SSW-Mandate geteilt.“ Ansonsten sei das Urteil „abenteuerlich“.