Sie soll sofort einsatzbereit sein, wenn Reparaturen nötig seien. Verwaltung sollen dafür elf zusätzliche Stellen bereitgestellt werden. Ramsauer kommt heute nach Brunsbüttel.

Hamburg/Kiel. Eine Woche früher als angekündigt ist der Nord-Ostsee-Kanal wieder für große Schiffe mit mehr als 125 Meter Länge befahrbar. Das hat die Agentur United Canal Agency (UCA) in Kiel mitgeteilt, die Schiffspassagen durch den Kanal vermittelt. Er war am 6. März für große Schiffe gesperrt worden, nachdem beide großen Schleusenkammern in Brunsbüttel wegen technischer Defekte außer Betrieb genommen werden mussten.

Zunächst hatte das Wasser- und Schifffahrtsamt Brunsbüttel für die notwendigen Reparaturen zwei Wochen veranschlagt. Zahlreiche Frachtschiffe und Tanker mussten seit der vergangenen Woche um Skagen in Norddänemark umgeleitet werden. Das bedeutet gegenüber der Kanalpassage einen Umweg von rund 250 Seemeilen (463 Kilometer). Der Schifffahrt und ihren Kunden verursacht das erhebliche Mehrkosten. Am Donnerstagmorgen seien erfolgreiche Tests mit der reparierten großen Südschleuse in Brunsbüttel absolviert worden, sagte UCA-Chef Jann Petersen dem Abendblatt: "In den kommenden Tagen wissen wir, ob die Schleuse dauerhaft belastbar ist." Gesa Völkl, Chefin des Wasser- und Schifffahrtsamtes (WSA) Brunsbüttel, sagte zur vorzeitigen Reparatur der großen Südschleuse: "Die Mitarbeiter des WSA haben sich die Beine ausgerissen. Wir sind sehr, sehr froh."

Die Schifffahrt muss für die kommenden Jahre am Nord-Ostsee-Kanal mit erheblichen Behinderungen rechnen. Die beiden großen Schleusenkammern in Brunsbüttel sind stark sanierungsbedürftig. Um sie für eine Grundüberholung zu entlasten, soll eine dritte große Schleusenkammer gebaut werden. Sie wird aus heutiger Sicht jedoch frühestens im Jahr 2021 fertiggestellt sein. Zurzeit werden dafür vom Bundesverkehrsministerium bis zu 375 Millionen Euro Baukosten veranschlagt.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) will die Schleusen in Brunsbüttel am Freitag besuchen. Er hatte dort bereits im April 2012 den ersten Spatenstich für den Bau einer dritten großen Schleusenkammer gesetzt. Seither allerdings ist das Bauprojekt nicht vorangekommen. Voraussichtlich im April soll die notwendige europaweite Ausschreibung für Teile des Projektes und für Bauteile gestartet werden. Politiker der Oppositionsparteien in Berlin, Landespolitiker aus Norddeutschland sowie weite Teile der maritimen Wirtschaft hatten Ramsauer in den vergangenen Tagen scharf dafür kritisiert, dass er es bis zu einer Vollsperrung des Nord-Ostsee-Kanals habe kommen lassen. Durch den Kanal gehen unter anderem rund 30 Prozent des Ladungsaufkommens, das im Hamburger Hafen umgeschlagen wird.

Ramsauer wehrte sich gegen Kritik des Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs. Der hatte am Rande des Haushaltsauschusses des Bundestages behauptet, Ramsauer hätte nach seinem Amtsantritt 270 Millionen Euro, die für den Nord-Ostsee-Kanal zur Verfügung gestanden hatten, "nach Bayern abgezogen und für Ortsumgehungen verbraten". Im NDR nannte der Verkehrsminister den Vorwurf ein "grobes Foul des sonst so geschätzten Kollegen Kahrs". Er habe sich gleich nach seinem Amtsantritt vor knapp dreieinhalb Jahren dieser Dinge angenommen.

Darüber hinaus bezeichnete der Bundesverkehrsminister den Nord-Ostsee-Kanal als negatives Beispiel für eine verfehlte Investitionspolitik bei der Verkehrsinfrastruktur. Dies könne nicht innerhalb kurzer Zeit behoben werden. Er selbst habe seit Jahren vor dem Kollaps auf deutschen Wasserstraßen gewarnt. Inwieweit Ramsauer eigene Verfehlungen meinte, ließ er offen. Immerhin kündigte er am Donnerstag an, eine Sondereinsatzgruppe für den Nord-Ostsee-Kanal schaffen zu wollen, damit sich ein derartiger Kollaps nicht wiederhole. Sie soll sofort einsatzbereit sein, wenn weitere Reparaturen nötig seien. Der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sollen dafür elf zusätzliche Stellen bereitgestellt werden. Er sagte auch, dass die Gesamtkosten für den Ausbau des Kanals "letztendlich weit über eine Milliarde Euro" betragen werden.

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sprach die Sperrung des Kanals am Mittwoch auf dem Parlamentarischen Abend der Hafen Hamburg Marketing in Berlin an, zu dem auch Ramsauer gekommen war. "Die bittere Wahrheit ist, dass Wiederholungen der augenblicklichen Situation drohen, denn der Nord-Ostsee-Kanal ist den Anforderungen derzeit strukturell nicht gewachsen", sagte Scholz und sprach Ramsauer dann direkt an. "Das darf nicht so bleiben und ich begrüße sehr Ihre Aussage, Herr Minister, dass Sie ein Treffen aller Anlieger und Beteiligten schnell zustande bringen werden." Der Kanal müsse genauso an die höher werdenden Anforderungen der Schifffahrt angepasst werden wie die Elbe. Schließlich sagte Scholz mahnend: "An der Komplettsanierung der beiden fast hundert Jahre alten großen Schleusen in Brunsbüttel führt kein Weg vorbei."

Verkehrsminister Peter Ramsauer sagte in seiner Rede zu, "Notreparaturen im höchstmöglichen Tempo vorzunehmen". Er versicherte, die Ausschreibung der Hauptbaumaßnahmen unverzüglich zu veröffentlichen, nachdem der Haushaltsausschuss noch am selben Abend grünes Licht für die zusätzlichen 75 Millionen Euro gegeben habe.

Der Nord-Ostsee-Kanal ist mit einer Passage von rund 42.000 Schiffen jährlich die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt. Nach Angaben der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord bewegen im Durchschnitt 95 Schiffe täglich knapp 300.000 Tonnen Ladung durch den Kanal. Zum Vergleich: Um dies zu transportieren, wären auf der Straße bis zu 15.000 schwere Lastwagen notwendig.