Neue Töne von Niedersachsens CDU: Im Futtermittelskandal gibt sie sich selbstkritisch

Hannover. Bereits im Herbst vergangenen Jahres hat das Bundeslandwirtschaftsministerium schriftlich die Länderministerien, aber auch die Tierfutterbranche vor der Gefahr des gefährlichen Schimmelpilzes Aflatoxin B! speziell in Maislieferungen aus Serbien gewarnt. Warum die Unternehmen dennoch rund 45.000 Tonnen Körnermais über den niedersächsischen Spezialhafen Brake an Land brachten und 10.000 Tonnen sogar weiterverteilten, mit dieser Frage werden sich sowohl die zuständigen Agrarbehörden, aber wohl auch die Staatsanwaltschaften zu befassen haben. Der Schock über diesen neuen Lebensmittelskandal in Niedersachsen, dem Agrarland Nummer eins, sitzt immerhin so tief, dass die CDU an diesem Wochenende das bisherige Eigenkontrollsystem der Futtermittelbranche infrage stellte.

"Das reicht hier offenbar nicht aus", sagte Frank Oesterhelweg, stellvertretender Vorsitzender der neuen Oppositionsfraktion im Landtag in Hannover. Das sind neue Töne, nachdem die CDU als Regierungspartei zehn Jahre lang Hand in Hand mit dem Landvolk Niedersachsen und der Futtermittelbranche auf Freiwilligkeit und Eigenkontrolle gesetzt hat. Auch der bislang enge Schulterschluss zwischen Futterlieferanten und Bauern bröckelt. "Wir sehen die Futtermittelunternehmen als Verursacher der Belastung bei der Schadensregulierung in der Pflicht", gab am Montag ungefragt der stellvertretende Vorsitzende des Landvolkes Niedersachsen, Heinz Korte, zu Protokoll: "Die Landwirte als letztes Glied in der Lebensmittelerzeugung können nicht für die Versäumnisse aufkommen, die ihnen die Vorlieferanten aufbürden."

Vorsichtiges Aufatmen gab es am Sonntag beim Landvolk, weil die Mitarbeiter gleich mehrerer staatlicher Labore am Wochenende rund um die Uhr gearbeitet haben. Das Ergebnis: Die ersten 800 Milchbetriebe konnten schon wieder freigegeben werden, alle Proben zeigten keine gefährliche Belastung.

Die Tierfutterbranche hat mit der Intensivierung der Landwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten eine immer größere Bedeutung bekommen. Speziell die Massentierhaltung mit dem wichtigsten Schwerpunkt Niedersachsen kommt schon lange nicht mehr mit dem Futter aus, das auf heimischen Äckern heranwächst. Gebraucht werden mehr als 80 Millionen Tonnen bundesweit pro Jahr. Der aktuelle Fall zeigt die Anfälligkeit des stark verflochtenen Systems aus Importeuren und der Vielzahl der nachgelagerten Futtermittelmischbetriebe.

Der Unternehmerverband Tiernahrung versicherte am Wochenende, es gebe regelmäßige Kontrollen: "Aflatoxin ist ein bekannter unerwünschter Stoff." Tatsächlich ist die Politik der zehnfachen Überschreitung der Grenzwerte in dem Mais erst auf die Spur gekommen durch die Beprobung eines Milchviehbetriebes im Landkreis Leer. Milch reichert anders als Fleisch das Gift an. Da war das stark krebserregende Aflatoxin B1 bereits mindestens seit Wochen in der Futterkette vor allem in Niedersachsen.