Die Preise für landwirtschaftliche Flächen sind deutlich gestiegen. Grüne in Niedersachsen wollen Stopp per Gesetz erreichen.

Hannover. Zwischen den Jahren 2006 und 2011 sind die Kaufpreise für landwirtschaftliche Flächen in Niedersachsen um rund 40 Prozent gestiegen. Der anhaltende Flächenverbrauch für Industrie, Straßen- und Wohnungsbau programmiert ebenso wie der Boom der Bioenergie und die wachsende Nachfrage nach Lebensmitteln auch in den kommenden Jahren eine steigende Nachfrage und einen entsprechenden Preisanstieg. Auf Antrag der Grünen-Fraktion wird sich der Landtag in Hannover noch im Dezember in einer ganztägigen Anhörung mit der Frage beschäftigen, ob es neue gesetzliche Regelungen braucht, um zu verhindern, dass Äcker und Grünland zum reinen Spekulationsobjekt von Investmentgesellschaften und Industriellen werden.

Als "Land Grabbing" bezeichnet man den Kauf von Ackerflächen in großem Stil durch bevölkerungsreiche Staaten wie China und Indien etwa in Afrika. Christian Meyer, agrarpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion in Hannover, benutzt diese Vokabel aber inzwischen auch für die neuen Bundesländer. Hier haben sich in den vergangenen 20 Jahren Agrar-Aktiengesellschaften, aber auch fachfremde Investoren wie die aus der Möbelindustrie kommende Steinhoff-Holding in großem Stil eingekauft. Jüngster Fall ist der weltweit agierende Heizungshersteller Viessmann, der in Vorpommern fündig wurde.

Der Grünen-Experte Meyer warnt nun, mindestens ansatzweise seien inzwischen entsprechende Begehrlichkeiten von Konzernen auch in Niedersachsen spürbar. Bislang fehlt es an verlässlichen Daten über das Ausmaß der Käufe. Das Bundesforschungsinstitut für ländliche Räume (Johann Heinrich von Thünen-Institut) hat im vergangenen Jahr weitgehend auf Zeitungsberichte über solche Aktivitäten für eine entsprechende Studie im Auftrag der Bundesregierung zurückgreifen müssen. Die Braunschweiger Fachleute warnen zudem, die eigenen Aufstellungen seien wahrscheinlich mit erheblichen Defiziten belastet: "Insbesondere sind die verdeckten Beteiligungen (über Kapitalanteile, Kredite), denen viele Experten in unserer Studie eine große Bedeutung beigemessen haben, nicht bekannt." Klar ist: Seit der Bankenkrise haben viele Investoren Grund und Boden als sichere Anlage neu entdeckt - und die weltweit steigende Nachfrage nach Lebensmitteln sorgt anschließend für rentable Verpachtungsmöglichkeiten von Ackerflächen.

Dabei ist vor allem in der niedersächsischen Weser-Ems-Region, gerne als Deutschlands Fleischtopf bezeichnet, bereits jetzt die Nachfrage so hoch, dass die Kauf- und Pachtpreise vor allem für Ackerland regelrecht explodiert sind. Gezahlt werden dort, so der von der Landesregierung ermittelte Bodenrichtwert, Quadratmeterpreise für landwirtschaftliche Nutzflächen von bis zu fünf Euro. Das ist das Zehnfache dessen, womit Bauern in anderen Regionen wie dem Landkreis Lüchow-Dannenberg rechnen können. Und bei der Neuverpachtung von Flächen werden bis zu 1000 Euro je Hektar verlangt. Grünen-Experte Meyer warnt: "Das können weder Biobauern noch Milchlandwirte auch nur annähernd wieder erwirtschaften, der Konzentrationsprozess und das Höfesterben werden so weiter beschleunigt."

Tatsächlich ist die Massentierhaltung in Landkreisen wie Vechta, Cloppenburg und dem Emsland einer der Treiber der Hektarpreise. Die Geflügelkonzerne wie Wiesenhof und Rothkötter (alle auch als Landkäufer aktiv) bauen ihre Produktion aus. Hinzu kommt: Die Region Weser-Ems hat nicht nur die mit Abstand höchste Tierdichte bundesweit, sondern dort steht auch eine besonders große Zahl von Biogasanlagen, die vor allem Mais brauchen. Weswegen der Mais dabei ist, allen Getreidesorten zusammen als häufigste Ackerfrucht den Rang abzulaufen.

Besorgt sehen die Folgen der Flächenkonkurrenz nicht nur die Naturschützer, die vor der "Vermaisung" der Landschaft warnen. Vor kaum zwei Wochen haben die Industrie- und Handelskammern (IHK) darauf gepocht, auch die Unternehmen bräuchten in den kommenden Jahren "Grund und Boden zu angemessenen Preisen". Das sei wichtig im internationalen Standortwettbewerb. Derzeit gehen in Niedersachsen an jedem Tag acht Hektar Fläche für Straßen, Häuserbau und Gewerbe verloren - das entspricht wöchentlich der Fläche eines Bauernhofs.

Das Grundstücksverkehrsgesetz sieht eine Genehmigungspflicht für den Verkauf landwirtschaftlicher Flächen vor. Versagt werden darf die Erlaubnis, wenn bei Verkauf an einen Nichtlandwirt eine "ungesunde Verteilung von Grund und Boden droht". Indiz für Begehrlichkeiten: Die Zahl der Prüfanträge hat sich binnen fünf Jahren von 242 auf 635 weit mehr als verdoppelt.