Viele alte Apfelsorten sind im Oktober reif für den Hofladen. Im Kommen sind aber auch neuere Züchtungen wie die Sorte Pinova.

Auf dem Finkenwerder Landscheideweg merkt man, dass Herbstprinz-Zeit ist. Die Anwohner haben große Obstgärten, viele bieten auf improvisierten Campingtischen ihre Äpfel zum Verkauf, und aus den Körben leuchtet sie grün-gelb-rot: die lokale Berühmtheit, der Finkenwerder Herbstprinz. Eine Radtour in diesem älteren und hübscheren Teil von Finkenwerder empfiehlt sich also gerade jetzt.

Nicht nur der Prinz ist vom Baum, sondern auch andere alte Sorten, die erst im Oktober geerntet werden. Auf dem Obstbauernhof Schröder in Hinterbrack etwa ist es der Horneburger Pfannkuchenapfel, den man sonst kaum noch findet: ein großer, grünlicher Apfel, der sich nicht nur für Pfannkuchen eignet, sondern zum Winter hin in seine Paraderolle als Bratapfel geradezu hineinreift.

"Diese alten Apfelsorten sind für uns eigentlich Liebhaberprodukte", sagt Johann Schröder, dessen Familie seit 253 Jahren Obst anbaut. "Bei den Supermärkten werden wir sie nicht los. Deshalb verkaufen wir sie im Hofladen." Und wie viele Bäume mit Liebhabersorten hält er vor? "Kommen Sie mal mit", sagt Schröder, rückt die Mütze zurecht, startet den Kleintraktor, und los geht die Plantagentour.

Stolz zeigt Schröder die neu gepflanzten Bäume mit dem Rotschaligen Herbstprinzen (einer Mutation). Dann eine lange Reihe voller Glockenäpfel. Die sehen nicht nur aus wie grüne Glocken, "die behalten ihre Säure auch beim Lagern über den Winter, deshalb kann man im Frühjahr noch Most daraus machen", sagt Schröder. In den fast endlos scheinenden Reihen sind ein paar Bäume für den Pfannkuchenapfel reserviert, und was jetzt rechts dunkelrot im Laub leuchtet, ist Ingrid Marie.

Auf diese alte Sorte entfallen nur 1,3 Prozent der gesamten Anbaufläche im Alten Land, auf den Gravensteiner sogar nur 0,2 Prozent. Mit 29 und 34 Prozent sind die Sorten Elstar und Jonagold die Spitzenreiter; alle anderen - Braeburn, Holsteiner Cox, Boskop oder Gloster - bringen es nur auf einstellige Prozentzahlen, regionale Altstars wie der Herbstprinz auf weniger als ein Prozent.

Im Kommen sind neuere Apfelzüchtungen wie Pinova (1965) oder Topaz (1984). Sie erfüllen Bedingungen, die der Handel vorschreibt: Die Äpfel sollen möglichst alle gleich groß, nicht druckempfindlich, resistent gegen Schädlinge sein und sich gut lagern lassen. Das ist auch beim Elstar der Fall - beim Herbstprinzen und auch beim Pfannkuchenapfel nicht immer. Sie sind nicht "normgerecht". Geändert hat sich aber auch der Apfelgebrauch: Wer kocht heute noch Apfelmus oder brät Apfelpfannkuchen? "Man hat den Leuten weisgemacht, ein Apfel müsse knackig sein", schimpft der Pomologe Eckart Brandt, der viele alte Sorten auf seinem Boomgarden-Hof bei Stade kultiviert. "Ganze Reihen mürbfleischiger Äpfel sind damit aus dem Sortiment gefallen, obwohl sie ein fantastisches Aroma haben." So viel zur ewigen Frage, warum es in Deutschland rund 1000 Apfelsorten gibt, im Supermarkt aber nur rund ein Dutzend.

Aber trotz aller Normierung im Handel will eine wachsende Gruppe von Verbrauchern nicht auf Tradition und Vielfalt verzichten. Bei Annegret Barghusen in Neuenfelde zum Beispiel finden Apfelfreunde die Sorte James Grieve, 1880 in Schottland gezüchtet und "hervorragend für Mus", wie die Obstbäuerin sagt. Oder den Gravensteiner, den die Norddeutschen schon im 17. Jahrhundert gern aßen. Den Herbstprinzen und die Bürgermeister-Birne (ursprünglich "Köstliche aus Charneux", um 1800 in Belgien entdeckt) hat sie natürlich auch.

Um alte Sorten wieder bekannt zu machen, küren das Freilichtmuseum Kiekeberg und der BUND zusammen mit dem Pomologenverband Hamburg/Schleswig-Holstein den norddeutschen "Apfel des Jahres", immer eine regional bekannte alte Sorte. 2001 etwa war es der Herbstprinz, 2006 der Pfannkuchenapfel. 2012 ist es der Rotfransch (auch "Weigelts Zinszahler"), seit etwa 200 Jahren im Elbe-Weser-Dreieck verbreitet. Nun muss sich der Rotfransch erst einmal herumsprechen. Die zartgelbe Goldparmäne hat es 2011 immerhin schon in der Rhön zum "Apfel des Jahres" gebracht - und ist im Obsthof Matthies in Jork zu bekommen.

Aber in vielen "modernen" Apfelsorten verstecken sich auch die alten. Der Elstar selbst ist ein Beweis: gezüchtet 1955 in den Niederlanden aus dem süßen amerikanischen Golden Delicious (1890) und der dänischen Ingrid Marie (1910), unter deren Eltern wiederum der britische Cox Orange (1828) ist. Da kommen viele Jahrzehnte guter Geschmack zusammen.