Viele Tagfalter-Arten werden im Norden mit der Zeit immer seltener. Zwei Drittel gelten als akut bedroht. Was Gartenbesitzer tun können.

Stade/Buxtehude. Schmetterlinge gelten mit ihren leuchtenden Farben und auffälligen Formen in Gärten und Parks, auf Wiesen und an Feldrainen als Boten einer heilen Natur. Doch viele der rund 190 Tagfalterarten, die bei trockener, warmer Witterung durch Feld und Flur, Moor und Heide oder von Blüte zu Blüte flattern, werden immer seltener. Weil ihnen immer mehr natürlicher Lebensraum genommen wird, bleibt ihnen häufig nur noch ein Platz auf der Roten Liste bedrohter Arten.

"Das Dilemma besteht seit Jahren. Viele jüngere Leute kennen bestimmte auffällige Arten wie Trauermantel oder Schwalbenschwanz gar nicht mehr, weil sie kaum noch anzutreffen sind", sagt Nehle Hoffer, Schmetterlings-Expertin beim Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND). "Die Entwicklung der Bestände ist desaströs, nur etwa ein Drittel der Falterarten hält sich gleichbleibend, nach aktueller Datenlage geht es zwei Drittel aller Schmetterlinge so schlecht, dass sie als akut bedroht gelten", sagt die Umweltwissenschaftlerin.

Mit dem "Abenteuer Faltertage" ruft der BUND Naturfreunde seit einigen Jahren jeden Sommer zu einer bundesweiten Erfassung und Zählung der bekanntesten Schmetterlinge auf. Dabei geht es um zehn leicht zu erkennende und noch relativ weit verbreitete Tagfalterarten, deren Auftreten auf einem bebilderten Zählbogen zwischen April und Ende Oktober vermerkt werden können. Die gewonnenen Daten wertet die Umweltschutzorganisation aus, um gemeinsam mit Institutionen wie dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) in Hannover mehr über die Entwicklung der Schmetterlingsbestände in Deutschland und Niedersachsen zu erfahren. BUND-Mitarbeiterin Monika Niemeyer vom Stader Hans-Kelm-Haus sagt, dass die Beteiligung an der Aktion enorm groß ist, weil viele Naturfreunde damit den Faltern helfen wollen. "Wer sich für die Schmetterlinge interessiert, mehr über sie weiß, kann ihnen tatsächlich auch helfen zu überleben. Das beginnt mit schmetterlingsfreundlicher Gartengestaltung mit Wildpflanzen oder auf dem Balkon, wo man Platz für Nahrungspflanzen schafft, die von den Faltern gern angenommen werden", sagt Niemeyer.

Doch allein mit Schmetterlingsflieder oder Lavendel im Garten ist der Notstand vieler Tagfalter nicht zu lindern. Denn neben Zitronenfaltern, Tagpfauenaugen oder Admiralen gehören noch Spinner und Spanner, Schwärmer und Bohrer, Wickler, Eulen, Dickköpfe, edle Segelfalter und winzige Bläulinge zu den rund 3700 Schmetterlingsarten, die in Deutschland heimisch sind. Die meisten von ihnen sind Nachtfalter, nur etwa 190 Arten sind als tagaktive Flieger unterwegs. Tagfalter sind an ihren leicht keulenförmig verdickten Fühlerspitzen gut erkennbar, die Fühler der Nachtfalter sind meist gefiedert und am Ende nicht verdickt.

Die Designerstücke von Mutter Natur haben zu ihrem Aussehen und ihrer Lebensweise so passende Namen wie Mondvogel oder Gammaeule, Lattichmönch, Schachbrett, Spitzwegerichfalter, Wiesenknopf-Ameisenbläuling oder Purpurbär. Sie sind auf bestimmte Lebensräume wie Hochmoore, Flusslandschaften, Auwälder oder Knöterichflure angewiesen, wo sie Pflanzen und Bedingungen finden, die ihre Ernährung und Fortpflanzung ermöglichen. Nehle Hoffer sieht in exzessiver Landwirtschaft eine wesentliche Ursache für die Bedrohung vieler Arten. "Selbst bekannte Falter wie Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs oder Admiral sind auf Pflanzen angewiesen, die auf nährstoffarmen Böden gedeihen", sagt Hoffer. Zum Beispiel die Wilde Möhre, die der extrem selten gewordene Schwalbenschwanz benötigt, Horn-, Weiß- und Rotklee, von denen sich viele Bläulingarten und Feuerfalter ernähren, und sogar die Brennnesseln fehlen vielerorts. Wenn zudem durch den intensiven Maisanbau immer mehr ehemalige Brachflächen beackert werden, werde den Faltern der Lebensraum genommen, so die Schmetterlings-Expertin.

Auch Achim Stolz, Pressesprecher der NLWKN-Direktion, sagt: "Generell gilt die Feststellung, dass es die Falter schwerer haben, je mehr Landschaft verbraucht wird." Sein Kollege Alexander Pelzer, der beim NLWKN das Tierarten-Erfassungsprogramm betreut, sagte bereits vor drei Jahren, dass klar zu erkennen sei, wie Verbreitung und Artenvielfalt der Tagfalter stark rückläufig sind. Moderne Technik in der Land- und Forstwirtschaft, zunehmend mehr zugebaute Natur oder "wie Wohnzimmer aufgeräumte" Gärten nannte Pelzer als Ursachen. So werde das Vergnügen, Schmetterlinge zu beobachten, immer seltener, weil Prachtexemplare wie Segelfalter, Schwalbenschwanz, Trauermantel oder Apollo in ihren speziellen Lebensräumen kaum noch zu entdecken seien.

Von den 1033 Schmetterlingsarten auf der Roten Liste in Niedersachsen sind nur noch etwa 300 Arten ungefährdet. Auch in Schleswig-Holstein wird diese Entwicklung mit Sorge verfolgt. "Am meisten bedroht sind dort Schmetterlinge, die auf Moore und Heiden angewiesen sind und alle Arten, die Magergrünland besiedeln", sagt Schmetterlingsforscher Detlef Kolligs vom Naturschutzbund (Nabu) Schleswig-Holstein. Zu den bedrohten Arten im Moor gehören zum Beispiel der Hochmoorperlmuttfalter und der Lungenameisenenzianbläuling, sagt Kolligs. "Die Bedrohung der Schmetterlingsarten ist in ganz Deutschland ähnlich, da überall eine Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und Veränderungen der Agrarstrukturen auftreten", begründet auch der Nabu-Schmetterlingsforscher die Verluste der Artenvielfalt. Dabei seien in Schleswig Holstein die Falter an der Küste noch recht gut verbreitet, wie etwa die Rostbinde, während im Binnenland die Sichtung vieler Arten deutlich seltener werde.

Wie die Bestände teilweise dramatisch zurückgehen, zeigen die Erhebungen von BUND und Nabu Deutschland gleichermaßen. Seit 2005 koordiniert das Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle (UFZ) ein bundesweites Tagfalter-Monitoring, an dem auch der Nabu mitwirkt. Dort sind rund 80 Prozent einheimischer Tagfalterarten auf der Roten Liste bedrohter Arten erfasst, über die auch das Bundesamt für Naturschutz unter www.bfn.de ausführlich informiert. Gartenbesitzer können unter anderen mit torffreier Blumenerde, Nachtkerzen, Fuchsien, Blutweiderich, Weidenröschen oder Disteln im Garten den Schmetterlingen helfen.

Näheres: www.bund.net und

www.nabu.de