Die Gemeinde möchte das Millionengrab Keitum-Therme abreißen. Das darf sie allerdings nicht, weil ein Insolvenzverfahren läuft.

Keitum. Sie ist die teuerste Bauruine der Insel , eine Art Sylter Elbphilharmonie - nur, dass dieses Projekt irgendwann gestoppt wurde, als die Kosten stiegen und alles unübersichtlich wurde. Die Keitum-Therme oder das, was einmal eine hätte werden sollen, liegt seit Jahren ungenutzt am Sylter Wattenmeer - eine Ruine in bester Lage, die die Gemeinde für mehr als zwölf Millionen Euro bauen ließ und heute gerne abgerissen sähe.

"Aber uns sind die Hände gebunden", sagt die Sylter Bürgermeisterin Petra Reiber. "Solange die Verfahren laufen, können wir nichts tun." Weil die Baugesellschaft Insolvenz angemeldet hat, hat die Gemeinde noch immer keinen Zugriff auf das Grundstück. Petra Reiber hofft auf die Vergleichsverhandlungen, die zurzeit laufen. "Wir erwarten, dass es Ende September einen entscheidenden Termin gibt."

Dann könnte der Rohbau endlich verschwinden - mehr als fünf Jahre nach Start des Prestigeprojekts, das Keitum als Gesundheitsstandort stärken und noch mehr Touristen auf die Insel locken sollte. Inzwischen ist die Therme als Millionengrab verschrien und prominent gescheitert. Schon seit vier Jahren wird nicht mehr daran gearbeitet, die Bausubstanz verfällt. Dabei war das Bad, für 15,5 Millionen Euro geplant, vom Land gefördert worden und im Jahr 2007 mit viel Vorschusslorbeeren an den Start gegangen.

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Doch bald schon gab es erste Konflikte zwischen Gemeinde und Betreiber, immer wieder verzögerte sich der Bau. 2008 hätte die Therme eigentlich eröffnet werden sollen, im selben Jahr kündigte die Gemeinde den Vertrag. Im Juni 2008 legte das Unternehmen die Arbeit nieder.

Das Ergebnis der Millioneninvestition liegt heute unansehnlich da. Vier Winter lang war der Rohbau Frost und Schnee ungeschützt ausgesetzt, Petra Reiber würde ihn lieber gestern als heute abreißen lassen. Eine weitere Nutzung schließt sie aus. "Das fasst doch niemand mehr an", sagt sie. "Das ist ja völlig unwirtschaftlich."

Die Bürgermeisterin spricht von verfälschten Berechnungen, die ihnen vorgelegt worden seien. Ein Beweissicherungsverfahren soll nun klären, ob Fehler im Bau gemacht worden sind; zwei Gutachten kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Auch, dass die Millionenbeträge wirklich verbaut wurden, bezweifelt die Gemeinde. "Wir mussten nach Bauzeit und nicht nach Baufortschritt bezahlen", sagt Reiber.

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Im Januar 2010 hatte die Insel noch einen Etappensieg errungen: Weil die Betriebsgesellschaft des Stuttgarter Planungsbüros Uwe Deyle die Kündigung nicht akzeptierte, hatte die Gemeinde auf Rückgabe des Grundstücks und der Ruine geklagt. Das Frankfurter Schiedsgericht erklärte die Bauverträge für ungültig und schlug der Insel beides zu. Seither ist zwar einiges passiert; geändert hat sich jedoch nichts. Weil die Baugesellschaft Insolvenz anmeldete, liegt das Verfahren nun in der Hand des Insolvenzverwalters. Weil der noch Einspruch einlegen könnte, darf die Insel nicht über das Grundstück verfügen. Feste Fristen hat das Verfahren offiziell nicht.

Wenn die Vergleichsverhandlungen bis September kein Ergebnis bringen, müssten die Sylter also noch weiter mit ihrer Ruine leben. "Schön ist sie nicht", sagt Jutta Vielberg vom Sylt Marketing. "Sie schreckt zwar noch keine Touristen ab, aber wir würden uns natürlich freuen, wenn da etwas anderes hinkäme."

Die Lage am Wattenmeer ist begehrt. Von Wohnungsbau war in der Vergangenheit schon die Rede und davon, das Loch einfach wieder zuzuschütten und das Gelände als Park zu nutzen. Besonders weit brachte es die Idee des Keitumer Unternehmers Claas-Erik Johannsen: Gemeinsam mit Partnern wollte er ein Museum rund um Kunst und die Kulturgeschichte der Insel eröffnen. Die Gemeinde zeigte Interesse, doch eine Befragung unter den Keitumer Bürgern stoppte das Vorhaben: Die Mehrheit stimmte gegen den Plan - wohl aus Angst, ein neues Großprojekt vor der Haustür scheitern zu sehen. "Auch, dass unsere Mäzene ihre Namen nicht öffentlich machen wollten, wurde kritisiert", sagt Johannsen.

Das Misstrauen in Keitum ist groß geworden nach dem Desaster mit der Therme, das verlorene Steuergeld noch lange nicht vergessen. Die Landeszuschüsse von einer Million Euro wurden schon zurückgezahlt. "Aber wir zahlen noch immer jährlich Darlehen ab", sagt Reiber. Ein "Wirtschaftskrimi" seien die vergangenen fünf Jahre gewesen.

So mancher sehnt sich da nach den Zeiten zurück, als die Welt noch in Ordnung war in Keitum. Zwar ist das Kunstmuseum noch nicht vom Tisch, zurzeit wird es wieder verstärkt in den Gemeindegremien diskutiert. Immer wieder aber hört man von den Inselbewohnern den Wunsch, ein Freibad auf der Fläche einzurichten. So, wie es vor der Therme einmal war.