Die Koalition will Konsequenzen ziehen, nachdem Schleswig-Holstein laut der Studie auf dem letzten Platz aller Länder liegt.

Kiel. Schleswig-Holstein möchte die rote Bildungslaterne möglichst schnell wieder loswerden. Mit Blick auf den letzten Platz im jüngsten Ländervergleich von Schulen und Hochschulen kündigte Bildungsministerin Waltraud Wende gestern an, die Pleite zum Thema auf einem großen Bildungsgipfel in drei Wochen in Kiel zu machen. "Wir werden auch darüber diskutieren, welche Konsequenzen wir aus der Studie ziehen müssen."

Die Lehrergewerkschaft GEW begrüßte die Initiative, blieb mit Blick auf die leere Landeskasse aber skeptisch. "Im Bildungsbereich hängt nicht alles am Geld, aber das meiste", sagte Landesgeschäftsführer Bernd Schauer. Schulen und Hochschulen seien chronisch unterfinanziert. "Wenn das Land künftig nicht mehr Geld in die Bildung investiert, wird es im Bundesvergleich das Schlusslicht bleiben."

Anders als Hamburg, das bei der Bildung draufsattelte und im "Bildungsmonitor 2012" wie berichtet einen Sprung nach vorn machte, rutschte Schleswig-Holstein vom vorletzten Platz (2011) ans Ende der Tabelle. Die Studie, die vom arbeitergebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln erstellt wurde, lässt dabei keinen Zweifel daran, dass die Schulen und insbesondere die Hochschulen in vielen Bereichen schlechter dastehen und weniger bieten als im Bundesschnitt.

Besonders groß sind die Defizite bei den Hochschulen. Sie bieten nicht genügend Studienplätze, zwingen junge Schleswig-Holsteiner so, in anderen Bundesländern zu büffeln. Davon profitiert insbesondere Hamburg, das mit 70 000 Studenten deutlich mehr akademischen Nachwuchs ausbildet als das einwohnerstärkere Schleswig-Holstein (etwa 50 000 Studenten). Eine Trendwende ist nicht in Sicht, weil Schleswig-Holstein sich selbst den vom Bund geförderten Ausbau der Hochschulen kaum leisten kann.

Bei den Ingenieur-Studiengängen, auf die in der Studie besonders Wert gelegt wurde, schneidet Schleswig-Holstein traditionell schlecht ab. Weil es keine eigene Technische Universität gibt, sind nur 14,4 Prozent aller Absolventen Ingenieure (Bundesschnitt: 16,9 Prozent). Der Rückstand erklärt sich auch daraus, dass in Lübeck und Kiel überdurchschnittlich viele Mediziner ausgebildet werden. Ihre Studienplätze gehören mit etwa 200 000 Euro je Platz zu den teuersten im System.

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Angekreidet wird Schleswig-Holstein zudem, dass an den Hochschulen nur wenige Ausländer studieren. Ihr Anteil liegt bei 5,5 Prozent (Bundesschnitt 8,6 Prozent). Der Leiter der Studie, Professor Axel Plünnecke, fasste das bittere Ergebnis für die Hochschulen nüchtern zusammen. "Die Kapazitäten der Hochschulen in Schleswig-Holstein sind zu gering, sie sind kaum auf den technischen Bereich ausgerichtet und sind für ausländische Studierende nicht sehr attraktiv." Eine schnelle Besserung wäre laut Plünnecke nur möglich, wenn Schleswig-Holstein deutlich mehr Geld in die Hochschulen pumpt.

Rechnet man die Hochschulen aus der Bildungsstudie heraus, kämen die Schulen im Ländervergleich auf einen Platz im Mittelfeld. Bundesweit Spitze ist Schleswig-Holstein bei der "Zeiteffizienz", weil 98,9 Prozent der Kinder mit sechs Jahren eingeschult werden und es kaum Sitzenbleiber gibt. Beide Erfolge sind von oben verordnet. Die Schulen müssen auch Kinder aufnehmen, die eigentlich noch nicht schulreif sind, und sie dann mitziehen. Ehrenrunden sind nur in Ausnahmefällen möglich.

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Die Schulqualität in Schleswig-Holstein ist laut Studie etwas geringer als im Länderschnitt. Verantwortlich dafür ist etwa die geringe Zahl an echten Ganztagsschulen. Ihr Ausbau, der in Hamburg forciert wird, erfolgt in Schleswig-Holstein nur langsam, weil das Land kein Geld für Nachmittagslehrer hat. Auch beim Fremdsprachen-Unterricht wächst die Lücke zwischen Stadt und Land. In Hamburg lernen Kinder inzwischen ab Klasse 1 Englisch, in Schleswig-Holstein weiterhin erst ab Klasse 3.

Ins Hintertreffen gerät Schleswig-Holstein langsam bei anderen Strukturdaten, etwa den Klassengrößen oder der Schüler-Lehrer-Relation. Während Hamburg einen Schülerzuwachs erlebt und mehr Lehrer anheuert und Niedersachsen trotz Schülerrückgangs keine Stelle streicht, feiert es die Dänen-Ampel als Erfolg, dass sie nur die Hälfte der Stellen einspart, die bis 2017 durch den Schülerschwund rechnerisch verzichtbar wären. Die GEW kündigte an, dass sie ihre Forderung nach dem Erhalt aller Lehrerstellen auf dem Bildungsgipfel in Kiel erneut erheben wird. Die Gewerkschaft lässt offen, wie Schleswig-Holstein eine Bildungspolitik nach dem Vorbild von Hamburg bezahlen soll.