Kieler Koalition will 40 weitere Gleichstellungsbeauftragte für Schleswig-Holstein vorschreiben - auf Kosten der jeweiligen Gemeinden und Ämter. Diese sehen jedoch keinen Bedarf

Kiel. "Solide haushalten". Das ist für die neue schleswig-holsteinische Landesregierung aus SPD, Grünen und SSW das wichtigste Ziel. Wie das funktionieren soll, steht im Koalitionsprogramm. "Neue oder höhere Ausgaben sind möglich, werden aber nur dann in den Haushalt aufgenommen, wenn eine wertgleiche Gegenfinanzierung mit der jeweiligen Erhöhung beschlossen wird", heißt es in dem gut 50-seitigen Werk. Im Klartext: Wer mehr Geld ausgibt, muss auch sagen, wo er diesen Betrag einsparen will. Doch gilt das offenbar nur für den Landeshaushalt. Im selben Koalitionsprogramm wird mehr als 40 Gemeinden und Ämtern im Land vorgeschrieben, künftig neue Stellen zu schaffen - für hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte, die gegen die Benachteiligung von Frauen kämpfen sollen. Von einer Gegenfinanzierung keine Spur, die Städte werden die Kosten selbst tragen müssen. Dort regt sich nun Protest.

Beispiel Barsbüttel. Die Gemeinde im Kreis Stormarn, direkt an der Grenze zu Hamburg gelegen, hat derzeit eine ehrenamtliche Gleichstellungsbeauftragte, die für ihre Arbeit eine geringe Aufwandsentschädigung bekommt. Möglich ist das, weil bislang die Vorschrift gilt, dass nur Gemeinden mit mehr als 15 000 Einwohnern hauptamtliche Beauftragte beschäftigen müssen. Die Dänen-Ampel will diese Grenze jetzt auf 10 000 senken. Damit wäre auch Barsbüttel dran, der Ort hat gut 12 000 Einwohner. Aber Bürgermeister Thomas Schreitmüller sieht nicht ein, warum er Geld für eine neue Stelle ausgeben sollte. "Ich glaube nicht, dass sich an der Situation der Frauen etwas bessert, wenn wir eine hauptamtliche Beauftragte haben." Rund 22 000 Euro würde eine Halbtagsstelle Jahr für Jahr kosten. Schreitmüller: "Das Geld würde ich lieber für eine Verbesserung der Kinderbetreuung ausgeben." Natürlich sei es legitim, dass eine neue Regierung politische Schwerpunkte setze. "Aber dann erwarte ich auch, dass die Kosten, die damit verbunden sind, vom Land getragen werden."

Simone Münch, seit Oktober 2010 ehrenamtliche Gleichstellungsbeauftragte in Barsbüttel, pflichtet dem Bürgermeister bei. "Natürlich könnte man mit einer hauptamtlichen Kraft mehr machen", sagt sie. "Aber der Bedarf ist nicht da." Barsbüttel habe diesbezüglich keine größeren Probleme. "Angesichts der dramatischen Finanzlage sind mir die Kinder dann doch näher."

Im Kreis Pinneberg wären von der Neuregelung unter anderem die Ämter Elmshorn-Land und Pinnau betroffen. Beide beschäftigen ehrenamtliche Gleichstellungsbeauftragte. Dies sollte nach dem Willen der beiden Amtsvorsteher auch so bleiben. Wilfried Hans (CDU, Amt Pinnau) sagt: "Die ehrenamtliche Gleichstellungsarbeit hat sich bewährt. Ich sehe keine Notwendigkeit, davon abzugehen." Derselben Meinung ist sein Kollege Thorsten Rockel (SPD, Amt Elmshorn-Land). "Einerseits will uns die Dänen-Ampel zum Sparen anhalten. Andererseits sollen wir jetzt eine zusätzliche hauptamtliche Stelle schaffen. Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis." Und Torsten Ridder, Verwaltungschef im Amt Kaltenkirchen-Land, sagt: "Es wäre wie mit so vielen Vorgaben vom Land: Es ist ein weiterer Klotz, den wir am Bein haben."

Auch beim Schleswig-Holsteinischen Gemeindetag stößt der Plan der neuen Landesregierung auf Widerstand. Der Landesgeschäftsführer Jörg Bülow sagt: "Die Verpflichtung zur Einstellung einer hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten ist ein unangemessener Eingriff in die Rechte der Kommunen. Er führt alle Versuche ad absurdum, die Verwaltungskosten zu reduzieren."

Bülow ist der Meinung, dass sich bei der Gleichstellung in den vergangenen Jahren viel verbessert habe. "Es gibt mittlerweile viele ehrenamtliche Bürgermeisterinnen, viele Abteilungsleiterinnen in den Kommunalverwaltungen, es gibt zum Beispiel im Kreis Pinneberg auch viele hauptamtliche Bürgermeisterinnen", sagt er. "Ich kann nicht erkennen, dass auf dem Feld der Gleichstellung jetzt plötzlich so viel zu tun ist, dass wir mehr hauptamtliche Beauftragte brauchen." Wann die von der Dänen-Ampel geplante Neuregelung in Kraft tritt, ist noch unklar. Zunächst müsste die Kommunalverfassung geändert werden. Thomas Giebeler, der Sprecher des zuständigen Innenministeriums, sagt: "Noch gibt es dafür keinen Zeitplan. Er soll nach der Sommerpause erarbeitet werden."

Strittig war das Thema bei den Koalitionsverhandlungen der Dänen-Ampel offenbar nicht. Schließlich hatte die SPD-Landesregierung unter Ministerpräsident Björn Engholm schon vor mehr als 20 Jahren die 10 000-Einwohner-Grenze für die Beschäftigung einer hauptamtlichen Frauenbeauftragten eingeführt. 2006 hob die große Koalition unter Peter Harry Carstensen (CDU) diese Grenze auf 15 000 an. Nun geht es wieder zurück in alte SPD-Zeiten. Der SSW, der kleinste Koalitionär, hatte in seinem Wahlprogramm sogar gefordert, die Grenze auf 8000 Einwohner zu senken. Auch die Grünen stehen voll hinter dem Ziel, in Schleswig-Holstein mehr hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte zu installieren. Deren Zahl würde sich mit der neuen Regelung nahezu verdoppeln - von 50 auf gut 90. Ruth Kastner, die Landesvorsitzende der Grünen, erklärt das so: "Es gibt immer noch viel Benachteiligung von Frauen. Der Bedarf ist einfach da, zum Beispiel bei der Wiedereingliederung in den Beruf nach der Familienphase. Und negativ an den ehrenamtlichen Gleichstellungsbeauftragten ist nun mal einfach, dass wir dort schon wieder Frauenarbeitsplätze haben, die unbezahlt sind."