Niedersachsens Politiker sehen Binnenschifffahrt durch Sparpläne des Verkehrsministeriums in Gefahr. Auch Arbeitsplätze bedroht.

Hildesheim. Vor mehr als 150 Jahren startete der Landwirt Georg Weiterer mit der Vermarktung von Getreide aus der Hildesheimer Börde. Daraus entwickelte sich der heute größte norddeutsche Landhandel, der bis ins europäische Ausland liefert - vieles per Binnenschiff über den Hildesheimer Stichkanal. Dessen Ausbau aber ist wegen Sparplänen des Berliner Verkehrsministeriums in Gefahr. Andere Wasserstraßen in Niedersachsen auch. Neben Weiterer und anderen Unternehmen schlägt Niedersachsens Verkehrsminister Jörg Bode (FDP) deswegen Alarm: Zur Abfuhr der steigenden Güterflut aus den Seehäfen werde das Binnenschiff und das verzweigte Kanalnetz des Hinterlands immer unverzichtbarer, warnt er.

Die Pläne von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sehen vor, das Geld auf Flüsse mit viel Tonnage zu konzentrieren. Da werde falsch kalkuliert, meint Bode. "Insbesondere bleibt unberücksichtigt, dass die erheblichen Zuwächse im Bereich der Binnenschifffahrt fast ausschließlich im Bereich des Containertransports erfolgen." Wegen des vergleichsweise geringen Gewichts der Waren steigere das die Tonnage nur unwesentlich. Gleichzeitig müssten wegen des großen Volumens der Container aber mehr Schiffe fahren. "Durch die reine Festlegung auf die transportierte Tonnage wird am Trend hin zu mehr Containertransport auf dem Wasser vorbeigeplant."

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Beispiel Hildesheimer Hafen: Am Ende des Kanals will die Stadt in ein neues Containerterminal zum Umschlag zwischen Schiff, Bahn und Lkw investieren, erklärt Stadtplaner Thorsten Warnecke. "Firmen, die bisher mit dem Lkw zum Hamburger Hafen fahren, können schon in Hildesheim verladen und die Autobahn entlasten." Mit 22 000 Containern pro Jahr wird kalkuliert, neue Arbeitsplätze sollen durch den Hafenausbau entstehen und 7,7 Millionen Euro in einem ersten Bauabschnitt investiert werden. "Dass die Containerschiffe kommen, geht aber nur bei einem Kanalausbau", meint Warnecke. "Wir haben nachgewiesen, dass der Kanalausbau sinnvoll ist."

Ob der rund 20 Millionen Euro teure Ausbau des Kanals für die neue und größere Generation von Binnenschiffen angegangen wird, hänge vom Verkehrsaufkommen und dem verfügbaren Geld ab, heißt es im Berliner Verkehrsministerium. Abzweige vom Mittellandkanal gibt es in Niedersachsen außerdem in Salzgitter, Hannover und Osnabrück. Wegen geplanter Investitionen der Salzgitter AG ist der dortige Ausbau nach Berliner Angaben sicher.

Abstand genommen von einer Verbreiterung hat man inzwischen in Hannover beim Kanal zum Lindener Hafen. "Keine der sieben Firmen dort wird durch die Entscheidung weggehen", sagt Wirtschaftsdezernent Hans Mönninghoff.

Minister Bode sieht das Wasserstraßennetz in Niedersachsen durch die Berliner Pläne allerdings gefährdet. Die Kategorisierung von Außen- und Unterems, Unter-, Mittel und Oberweser, Dortmund-Ems-Kanal und der Stichkanäle müsse überarbeitet werden. "Wenn der Bund hier nicht nachbessert, droht der Verlust von bereits getätigten Investitionen etwa in Schleusenbauwerke. Auch die durchgängige Befahrbarkeit mancher wichtiger Wasserstraßen ist gefährdet." Außerdem werde die Chance auf eine Entlastung bereits heute überfüllter Autobahnen und Bahntrassen vergeben. "Wenn sich Ramsauers Vorstellungen durchsetzen, wird der Norden abgehängt", protestiert auch der stellvertretende niedersächsische SPD-Fraktionschef Olaf Lies. "Der Bundesminister kümmert sich um die Anbindung der niederländisch-belgischen Häfen Zeebrügge, Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam und stärkt die Rheinschiene, anstatt die Anbindung der norddeutschen Häfen im Blick zu haben."

Aus Berliner Sicht mag der Hildesheimer Kanal wie etliche andere Wasserstraßen auch dem wenig ausbauwürdigen Nebennetz zugeordnet sein - vor Ort sieht man das differenzierter. "Sehr viele Arbeitsplätze hängen daran", weiß Konrad Weiterer, der den Landhandel mit zwei Brüdern in fünfter Generation führt. Wenn der Düngemitteproduzent K+S seine Pläne zur Wiedereröffnung des stillgelegten Kalibergwerks Siegfried-Giesen wahrmache, werde weitere Tonnage auf dem Kanal anfallen, gibt er zu bedenken. Das Unternehmen Weiterer selbst will rund 2,5 Millionen Euro in einen neuen Anleger investieren.